Leitsatz (amtlich)
1. Ein Fehlverhalten nach Abschluss des Überholens wird nicht von § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB erfasst.
2. Ob ein bewusst scharfes Abbremsen unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO, das in einem engen zeitlichen und situativen Zusammenhang mit dem Wiedereinscheren in die Fahrspur des Überholten erfolgt, vom Begriff des falschen Überholens im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB noch oder nicht mehr erfasst ist, beurteilt sich danach, ob der Überholer vor dem zu betrachtenden Bremsmanöver zunächst auf die Fahrspur des Überholten mit so ausreichendem Abstand zum überholten Fahrzeug eingeschert ist, dass er den Überholten unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen gefahrenen Geschwindigkeiten nicht behinderte.
Normenkette
StGB § 315c Abs. 1 Nr. 2b
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 22.02.2024; Aktenzeichen 22 NBs 706 Js 106768/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Februar 2024
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Nötigung und der Beleidigung schuldig ist,
- im Ausspruch über die im Fall 1 verhängte Einzelstrafe, über die Maßregel und über die Gesamtgeldstrafe nebst Bewilligung der Ratenzahlung aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,
- im Ausspruch über die wegen Beleidigung verhängte Geldstrafe von 40 Tagessätzen mit der Tagessatzhöhe von 60.- Euro ergänzt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Neustadt a.d.Aisch hatte den Angeklagten am 13. März 2023 wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60.- Euro verurteilt, Ratenzahlung bewilligt und ein Fahrverbot für die Dauer von 3 Monaten ausgesprochen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 22. Februar 2024 das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 105 Tagessätzen zu je 60.- Euro unter Bewilligung einer Ratenzahlung verurteilt. Desweiteren hat das Berufungsgericht die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen und eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 9 Monaten angeordnet. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht als unbegründet verworfen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der ausgeführten Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt,
die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig und hat im ausgesprochenen Umfang Erfolg.
1. Die Berufungskammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Am 16. Dezember 2021 gegen 15.00 Uhr fuhr der Angeklagte, ein mittlerweile pensionierter Polizeibeamter, als Führer eines PKWs auf der Bundesstraße B 8 zwischen Diebach und Neustadt a.d.Aisch. Vor dem Angeklagten war der Geschädigte mit einem etwa 16,5 m langen LKW mit Auflieger in gleicher Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 68 km/h unterwegs. Die zulässige Geschwindigkeit betrug für den Geschädigten 60 km/h. Der Angeklagte überholte den Geschädigten im Bereich einer langgezogenen Rechtskurve, scherte mit einem Abstand von etwa 16 Metern vor dem Geschädigten ein und bremste anschließend sein Fahrzeug ohne verkehrsbedingten Grund von zunächst 100 km/h bis fast zum Stillstand ab, um den Geschädigten ebenfalls zu einem abrupten Abbremsen zu zwingen und ihn dadurch zu maßregeln. Infolge des Bremsvorgangs aktivierte sich im LKW des Geschädigten noch vor dessen Reaktion das Notbremssystem und brachte den LKW zum Stillstand. Als der Geschädigte den Angeklagten kurz darauf an einer Ampel zur Rede stellte, bezeichnete ihn der Angeklagte mit den Worten "Du Wichser", um ihn in seiner Ehre zu verletzen.
2. Mit ihren Angriffen gegen die Beweiswürdigung zeigt die Revision bezüglich der Verurteilung wegen Beleidigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
a. Das Landgericht hat die Aussage des Belastungszeugen sachverständig beraten auf deren Plausibilität überprüft, der gebotenen kritischen Würdigung unterzogen und sich sorgfältig mit deren Inhalt und Zustandekommen auseinandergesetzt. Auch die Einlassung des Angeklagten hat die Berufungskammer umfassend gewürdigt. Dass der Angeklagte kurz nach dem Überholvorgang sein eigenes Fahrzeug verzögerte, der Geschädigte ihn danach an einer Ampel zur Rede stellte und der Angeklagte den Vorfall notierte, hat er eingeräumt. Die Tatrichterin durfte mit Blick auf die im Urteil wiedergegebenen gutachterlichen Ausführungen zum Ergebnis kommen, dass den Angaben des Zeugen zu folgen war. Eine zulässige Aufklärungsrüge hat der Angeklagte nicht erhoben.
b. Der von der Revision besorgte Verstoß gegen Erfahrungssätze liegt nicht vor. Das Gericht hat das Fertigen von Notizen lediglich als e...