Leitsatz (amtlich)
I. Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt.
II. Eine der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nachgebildete allgemeine Feststellungsklage ist zwar über die gesetzlich in Art. 208 BayStVollzG i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG aufgeführten Antragsarten hinaus grundsätzlich anerkannt, jedoch ausschließlich zur Schließung ansonsten bestehender Rechtsschutzlücken statthaft. In den Fällen, in denen ein zulässiger Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag erhoben wurde bzw. hätte erhoben werden können, ist sie also subsidiär.
III. Ein besonderes Rechtsschutzinteresse im Sinne von § 115 Abs. 3 StVollzG kommt nicht nur bei Wiederholungsgefahr, einem Rehabilitierungsinteresse des Antragstellers aufgrund des diskriminierenden Charakters der Maßnahme oder bei beabsichtigter Geltendmachung von Amtshaftungs-, Schadensersatz- und Folgenbeseitigungsansprüchen in Betracht, sondern insbesondere auch dann, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann.
IV. Ein solches besonderes Rechtsschutzinteresse des Antragstellers kann darin bestehen, dass die Justizvollzugsanstalt seinen Antrag auf Lockerungen nicht verbescheidet. Die Gewährung von Ausgang gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayStVollzG stellt nämlich eine vollzugsöffnende (Lockerungs-) Maßnahme dar, die das Grundrecht des Gefangenen auf Resozialisierung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG betrifft.
V. § 17 Abs. 3 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) ist nicht anwendbar, wenn der Antragsteller die Gewährung einer begünstigenden Maßnahme zu einem bestimmten Datum begehrt und die Behörde darüber nicht entscheidet.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; StVollzG § § 109 ff., § 115 Abs. 3; BayStVollzG Art. 13 Abs. 1 Nr. 2, Art. 208; AGO § 17 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 23.10.2023; Aktenzeichen SR StVK 896/22) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen K. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 23. Oktober 2023 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Nichtverbescheidung des Antrags des Strafgefangenen K. vom 25. Juli 2022, ihm am 13. August 2022 von 08.00 bis 18.00 Uhr Ausgang zu gewähren, durch die Justizvollzugsanstalt Straubing rechtswidrig war.
III. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der dem Beschwerdeführer hierin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
IV. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 € festgesetzt.
V. Dem Beschwerdeführer wird mit Wirkung ab Antragstellung für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit Schreiben vom 13.08.2022 beantragte der Strafgefangene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtbescheidung seines Antrags vom 25.07.2022 auf Ausgang am 13.08.2022, 8.00 bis 18.00 Uhr zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage und wegen Wiederholungsgefahr.
Mit Schreiben vom 02.09.2022 begehrte er, dass die Strafvollstreckungskammer explizit anordnen möge, dass ihm Lockerungen gewährt werden müssen. Dies begründete er damit, dass der Leiter der Anstalt ihm gegenüber am 02.09.2022 in Bezug auf einen Lockerungsantrag geäußert habe, dass er ohne einen Verpflichtungsbeschluss nie Lockerungen erhalten werde.
Die Antragsgegnerin hielt den Antrag für unzulässig, da kein Feststellungsinteresse bestehe. Sie führte aus, dass gestützt auf § 17 Abs. 3 Satz 2 AGO kein Bescheid ergangen sei, und verwies darauf, sie habe wegen der zahlreichen Anträge des Antragstellers im Zeitraum vom November 2021 bis August 2022 bereits wegen bestehender Flucht- und Missbrauchsgefahr vier ablehnende Bescheide in schriftlicher Form erlassen, zuletzt vom 22.08.2022. Zwischenzeitliche Veränderungen, die eine anderslautende Entscheidung begründet hätten, hätten sich seit dem ersten Bescheid vom 11.11.2021 nicht ergeben, so dass in den drei nachfolgenden Bescheiden jeweils auf diese Entscheidung habe Bezug genommen werden können. Wegen der Rechtmäßigkeit der Ablehnung von Vollzugslockerungen könne zudem auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 27.09.2022 - SR StVK 943/22 - (betreffend den Bescheid vom 22.08.2022) Bezug genommen werden. Trotz zwischenzeitlicher Rechtshängigkeit stelle der Antragsteller eine Vielzahl weiterer gleichlautender Anträge auf Gewährung von Ausgang. Diesbezüglich würden ihm keine weiteren Bescheide mehr erteilt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 AGO).
Hierauf erwiderte der Antragstelle...