Leitsatz (amtlich)
›1. Die Ausnahmevorschrift des § 35 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. WaffG betrifft nicht den Fall der Ein-/Durchfuhr.
2. Wer als Inhaber einer österreichischen Landesjagdkarte glaubt, für die Ein-/Durchfuhr von Waffen nach/durch Deutschland keiner weiteren waffenrechtlichen Erlaubnis zu bedürfen, handelt in einem Verbotsirrtum.‹
Tatbestand
Beide Angeklagten reisten am 19.1.2000 gegen 11.00 Uhr von Österreich kommend im Pkw des Angeklagten H. am Grenzübergang Bad Reichenhall-Autobahn in die Bundesrepublik Deutschland ein, um über Freiburg im Breisgau in das Elsaß zu reisen, wo sie für ihren Arbeitgeber neben der Begutachtung eines Windwurfs Wildschweine bejagen sollten.
Der Angeklagte H. führte dabei seine Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-S, Nr., Kaliber 7 mm Remington Magnum mit Zielfernrohr sowie 22 Schuss Munition Kaliber 7 mm, der Angeklagte M. seine Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-M, Nr., Kaliber 7 x 64 mit Zielfernrohr sowie 24 Schuss Munition, Kaliber 7 x 64 mit. Beide Waffen mit Zielfernrohr befanden sich in Gewehrtaschen, die Munition daneben im Kofferraum des Pkws. Bei einer nur wenige Minuten nach der Einreise an der Autobahnanschlussstelle Piding-Nord durchgeführten Polizeikontrolle wurde dies festgestellt; Waffen und Munition wurden sichergestellt.
Das Amtsgericht sprach die Angeklagten am 9.10.2000 der vorsätzlichen unerlaubten Einfuhr einer Schusswaffe rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Munition, vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer Schusswaffe und vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe schuldig. Es verhängte gegen die Angeklagten Geldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen, wobei es die Höhe des Tagessatzes beim Angeklagten H. auf 30 DM und beim Angeklagten M. auf 50 DM festsetzte. Die Einziehung der beim Angeklagten H. sichergestellten Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-S, Nr., Kaliber 7 mm Remington Magnum, sowie der beim Angeklagten M. sichergestellten Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-M, Nr. 2, Kaliber 7 x 64, nebst Zielfernrohr und 24 Schuss Munition, Kaliber 7 x 64, wurde angeordnet.
Beide Angeklagten hatten sich in subjektiver Hinsicht dahingehend eingelassen, sie seien der Ansicht gewesen, ihre gültige österreichische Jagder1aubnis berechtige sie seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auch zur Mitnahme von Waffen und Munition nach Deutschland.
Das Amtsgericht ist im Hinblick darauf von einem vermeidbaren Verbotsirrtum der Angeklagten ausgegangen. Es hat hierzu ausgeführt, beide Angeklagte hätten die Verpflichtung und Möglichkeit gehabt, sich bei ihrer Bezirkshauptmannschaft, beim Jagdverband oder einem deutschen Landratsamt oder Konsulat nach erforderlichen Erlaubnissen für die Mitnahme der Waffen nebst Munition nach Frankreich und die dazu erforderliche Durchreise durch Deutschland zu erkundigen. Sie hätten in diesem Fall ohne weiteres das Erfordernis eines europäischen Waffenpasses hierfür in Erfahrung gebracht.
Die auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten hatten teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
1. Die Rechtsmittel sind offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richten. Insoweit deckt die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrügen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf...
1.2 Das Amtsgericht hat zu Recht im Verhalten der Angeklagten den äußeren Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Schusswaffen und Munition nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, der tatsächlichen Gewaltausübung über eine Schusswaffe nach § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a WaffG und des unerlaubten Führens einer Schusswaffe nach § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b WaffG als verwirklicht angesehen.
1.2.1 Der äußere Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Schusswaffen und Munition ist erfüllt, wenn der Täter ohne den Nachweis einer Berechtigung Schusswaffen oder Munition über die Sollgrenze verbringt; der Begriff der Einfuhr umfasst dabei auch den Begriff der Durchfuhr (BGH MDR 1997, 80/8 1; Steindorf in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze WaffG - Stand: 1.5.2000 - § 53 Rn. 5). Eine Berechtigung hierfür nach § 27 Abs. 1 WaffG hatten die Angeklagten nicht. Insoweit ist zur Einfuhr von Schusswaffen mit dazugehörender Munition eine Waffenbesitzkarte erforderlich (§ 27 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 29 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 WaffG).Das ist dann nicht der Fall, wenn Schusswaffen und Munition unter zollamtlicher Überwachung durch den Geltungsbereich des Waffengesetzes befördert werden (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 WaffG). Dieser Ausnahmefall wie auch der Ausnahmefall nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a WaffG, wonach Personen mit Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des Waffengesetzes, die nicht mehr als zwei Schusswaffen mit einer Länge von mehr als 60 cm und die dafür bestimmte Munition lediglich durch den Geltungsbereich des Gesetzes befördern wollen, dies bei Vorliegen einer entsprechenden Bescheinigung einer Überwachungsbehörde nach § 27 Abs. 6 WaffG tun können, liegen ebenfalls...