Entscheidungsstichwort (Thema)
Testament
Leitsatz (redaktionell)
Ist ein gemeinschaftliches Testament gemäß § 2268 Abs. 1, § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB seinem ganzen Inhalt nach unwirksam geworden, weil die Ehe der Testierenden durch Scheidung aufgelöst worden ist, so wird es nach herrschender Meinung bei einer Wiederheirat der geschiedenen Ehegatten nicht wieder wirksam.
Normenkette
BGB § 2077 Abs. 1 S. 1, § 2268 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 13.07.1994; Aktenzeichen 16 T 24392/93) |
AG München (Aktenzeichen 67 VI 9053/92) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 13. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde ent- standenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 200 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der im Alter von 69 Jahren verstorbene Erblasser war kinderlos. Er hat erstmals im Jahre 1948 mit der Mutter der Beteiligten zu 1 die Ehe geschlossen. Die Ehe wurde im Jahre 1958 rechtskräftig geschieden. Im Jahre 1961 heirateten der Erblasser und seine frühere Ehefrau erneut. Diese Ehe bestand bis zum Tod der Ehefrau im Jahre 1991.
Während ihrer ersten Ehe, am 19.11.1954, errichteten der Erblasser und seine Ehefrau in notarieller Form ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten, Erbin des Zuletztversterbenden von ihnen solle die Beteiligte zu 1 sein, eine voreheliche Tochter der Ehefrau.
Am 24.6.1986 schrieb und unterzeichnete die Ehefrau des Erblassers eigenhändig folgendes Testament:
Wir, die Eheleute … setzen uns hiermit gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tode des Letztversterbenden von uns, soll unser beiderseitiger Nachlass wie folgt auf unsere Kinder übergehen.
Zwei drittel an die Tochter E. … (eine weitere voreheliche Tochter der Ehefrau), ein drittel an Tochter H. (Beteiligte zu 1)…
Der Erblasser unterschrieb diese letztwillige Verfügung nicht. Nach dem Tod der Ehefrau erklärte er vor dem Nachlaßgericht, er sei sowohl aufgrund des Testaments vom 19.11.1954 als auch des Testaments vom 24.6.1986 Alleinerbe geworden und nehme die Erbschaft an.
Am 1.2.1992 schrieb und unterzeichnete der Erblasser eigenhändig ein Testament, worin er seine Lebensgefährtin, die Beteiligte zu 2, als Alleinerbin seines Vermögens einsetzte.
Aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.11.1954 beantragte die Beteiligte zu 1 beim Nachlaßgericht einen Erbschein als Alleinerbin. Die Beteiligte zu 2 vertrat die Ansicht, dieses Testament sei durch die Scheidung der testierenden Ehegatten im Jahr 1958 unwirksam geworden, deshalb sei das Testament des Erblassers vom 1.2.1992 für die Erbfolge maßgebend, und stellte ihrerseits Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins. Das Nachlaßgericht kündigte nach Anhörung der Beteiligten und Vernehmung zweier Zeuginnen mit Beschluß vom 29.10.1993 die Erteilung eines Erbscheins gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 2 an. Hiergegen legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein. Das Landgericht hörte die Beteiligten erneut persönlich an und hob die Entscheidung des Nachlaßgerichts mit Beschluß vom 13.7.1994 auf. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, der die Beteiligte zu 1 entgegentritt.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Vorbescheid des Nachlaßgerichts könne keinen Bestand haben, denn aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.11.1954 sei die Beteiligte zu 1 Alleinerbin. Trotz der Scheidung der testierenden Eheleute habe dieses Testament nicht seine Gültigkeit verloren, da die Ehegatten rund drei Jahre nach der Scheidung wieder geheiratet hätten. Zu den Wirkungen der Wiederheirat auf ein vor der Scheidung errichtetes gemeinschaftliches Testament vertrete zwar die Literatur überwiegend den Standpunkt, daß ein nach § 2268 Abs. 1 BGB unwirksam gewordenes Testament nicht wieder auflebe und die Ehegatten ein neues gemeinschaftliches Testament errichten müßten, wenn sie die letztwillige Verfügung ihrem Inhalt nach wieder in Kraft setzen wollten. Ausgehend von lebensnaher Betrachtungsweise schließe sich die Kammer jedoch der Gegenmeinung an, wonach im Fall der Wiederheirat geschiedener Ehegatten der Wille des Erblassers zu diesem Zeitpunkt zu bestimmen und das Testament in der Regel wirksam sei. Insbesondere wenn die Eheleute, wie hier, nicht jahrzehntelang geschieden gewesen seien, liege für den Erblasser der Gedanke nahe, daß die letztwilige Verfügung zugunsten des alten und neuen Ehegatten wirksam sei. Entscheidend sei damit, ob der Erblasser und seine Ehefrau zum Zeitpunkt ihrer Wiederheirat am gemeinschaftlichen Testament hätten festhalten wollen. Dies sei zu bejahen. Es folge zum einen aus dem Verhalten des Erblassers, der sich nach dem Tod der Ehefrau auch unter Berufung auf das gemeinschaftliche Testament vom 19.11.1954 als Alleinerbe gesehen ...