Leitsatz (amtlich)

Die für das Nachprüfungsverfahren einschlägigen Schwellenwerte ergeben sich für Bauaufträge allein aus § 2 VgV und nicht auch aus § 1a Nr. 2 VOB/A.

 

Normenkette

GWB § 100 Abs. 1; VgV § 2; VOB/A § 1a Nr. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Aktenzeichen 120.3-3194.1-1-22-06/02)

 

Tenor

Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 24.6.2002 zu verlängern, wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner, eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, schrieb im März 2002 den Auftrag für die Sanierung und Erneuerung der Brandmeldeanlage in ihren Museumsbauten nach § 3 VOB/A im Bayerischen Staatsanzeiger öffentlich aus. Der geschätzte Auftragswert beträgt rund 500.000 Euro. Nach rechnerischer Prüfung liegt das Angebot der Beigeladenen an erster, das Angebot der Antragstellerin an zweiter Stelle. Der Antragsgegner beabsichtigt, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass das Angebot der Beigeladenen ausgeschlossen werden muss, und betreibt mit diesem Ziel das Nachprüfungsverfahren.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen. Es handele sich um einen Bauauftrag. Der Schwellenwert von 5 Mio. Euro für den Gesamtauftrag (§ 2 Nr. 4 VgV) bzw. 1 Mio. Euro für das Einzellos (§ 2 Nr. 7 VgV) sei nicht erreicht. Die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2 VOB/A, wonach die Bestimmungen der a-Paragraphen auch anzuwenden sind, wenn bei einem Bauauftrag mit einem Auftragswert von mindestens 200.000 Euro die Lieferung so überwiegt, dass das Verlegen und Anbringen lediglich eine Nebenarbeit darstellt, lägen nicht vor; der Lieferanteil würde hier nicht überwiegen.

Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag weiter. Nach ihrer Auffassung ist § 1a Nr. 2 VOB/A wegen überwiegenden Lieferanteils einschlägig; dies habe zur Folge, dass für das Nachprüfungsverfahren der in dieser Vorschrift genannte Schwellenwert von 200.000 Euro gelte. Ferner begehrt die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB.

II. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu verlängern, war abzulehnen, da die Beschwerde der Antragstellerin nach der im Verfahren nach § 118 GWB gebotenen summarischen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 118 Abs. 2 S. 1 GWB). Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag i.E. zu Recht als unzulässig verworfen.

1. Das Nachprüfungsverfahren ist mangels Erreichens der in § 2 Nr. 4 und 7 VgV genannten Schwellenwerte nicht eröffnet. § 1a Nr. 2 VOB/A ist für die Bestimmung der für das Nachprüfungsverfahren maßgeblichen Schwellenwerte nicht einschlägig.

a) Nach § 100 Abs. 1 GWB gilt der vierte Teil des GWB, dessen zweiter Abschnitt das Nachprüfungsverfahren zur Vergabekammer mit dem Rechtszug zum Vergabesenat regelt, nur für Aufträge, welche die in einer Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegten Schwellenwerte erreichen oder überschreiten. Der Verordnungsgeber hat die Schwellenwerte in § 2 VgV geregelt. Die dort in Nr. 4 und Nr. 7 für Bauaufträge festgelegten Schwellenwerte sind hier unstreitig nicht erreicht.

Bei dem streitgegenständlichen Auftrag handelt es sich, wie auch die Antragstellerin meint, um einen Bauauftrag. Nach § 99 Abs. 3 GWB sind Bauaufträge Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks, das Ergebnis von Tief- und Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll. Diese Definition geht auf Art. 1 Buchst. a) und c) der Baukoordinierungsrichtlinie (BKR) zurück; dort wird ferner auf das als Anhang II zur BKR aufgenommene Verzeichnis der Berufstätigkeiten im Baugewerbe verwiesen. Ergänzend kann, sofern sich kein Widerspruch zum gemeinschaftsrechtlich geprägten Begriff in § 99 Abs. 3 GWB – der nunmehr auch in § 1a Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A seinen Niederschlag gefunden hat – auf § 1 VOB/A und die dazu entwickelte Kasuistik zurückgegriffen werden (vgl. BayObLG NZBau 2000, 595; Korbion, Vergaberechtsänderungsgesetz, § 99 Rz. 5; Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 99 GWB Rz. 73; Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 14. Aufl., § 99 GWB Rz. 3; a.A. Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 99 Rz. 35; Beck'scher VOB-Kommentar/Marx, § 99 GWB Rz. 27). Danach sind Bauleistungen Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instandgehalten, geändert oder beseitigt wird (§ 1 VOB/A). Zu den Bauleistungen zählen insb. auch die Lieferung und Montage der für die bauliche Anlage erforderlichen maschinellen und elektrotechnischen/elektronischen Anlagen und Anlagenteile (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., A § 1 Rz. 1 ff.). Auch die Erneuerung und Ergänzung solcher Anlagen an einem bestehenden Gebäude fallen unter den Begriff der Bauleistungen, wenn sie für den bestimmungsgemäßen Bestand der baulichen Anlage von wesentlicher Bedeut...

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