Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz. Richterablehnung
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 14 AR 20123/98) |
AG München (Aktenzeichen 484 UR II 399/98) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 21. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer großen Anlage; die Antragsgegnerin war in der Zeit von 1974 bis zum 31.12.1992 die Verwalterin. Die Antragsteller machen Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 1 140 000 DM gegen sie geltend und tragen vor, die Antragsgegnerin habe bei Sanierungsmaßnahmen, die während ihrer Verwaltertätigkeit durchgeführt worden seien, ihre gesetzlichen und vertraglichen Pflichten verletzt.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.10.1998 hat der Richter am Amtsgericht die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat er unter anderem die Frage aufgeworfen, inwieweit Ansprüche gemäß dem Verwaltervertrag nicht bereits verjährt seien; in den Verwalterverträgen werde üblicherweise die Verjährungsfrist auf drei Jahre abgekürzt. Die Antragsteller haben daraufhin den Richter am Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch durch Beschluß vom 21.12.1998 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Im Wohnungseigentumsverfahren findet entsprechend § 42 Abs. 2 ZPO die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (BayObLG WuM 1996, 181 und st.Rspr.).
2. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch der Antragsteller zu Recht zurückgewiesen. Auszugehen ist von dem Grundsatz, daß jedes richterliche Verhalten, das verfahrensrechtlich geboten oder gerechtfertigt ist, die Ablehnung nicht zu begründen vermag (vgl. MünchKomm/Feiber ZPO § 42 Rn. 23). Allerdings kann die Frage, ob ein richterlicher Hinweis auf die Verjährung geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit im Sinn von § 42 Abs. 2 ZPO zu begründen, nicht schon wegen des im Wohnungseigentumsverfahren geltenden Grundsatzes der Amtsermittlung (§ 43 Abs. 1 WEG, § 12 FGG) verneint werden. Denn die Verjährung begründet lediglich eine Einrede, deren Geltendmachung im Belieben des Schuldners steht (§ 222 Abs. 1 BGB, vgl. Palandt/Heinrichs BGB 58. Aufl. § 222 Rn. 1), die Pflicht zur Amtsermittlung gilt daher insoweit nicht (vgl. Keidel/Amelung FGG 13. Aufl. § 12 Rn. 197).
Im Zivilprozeß, dessen Grundsätze entsprechend heranzuziehen sind, ist nach dem heutigen Stand der Meinungen die Frage umstritten, ob ein richterlicher Hinweis auf die Verjährungseinrede geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, oder ob es sich um eine zumindest vertretbare, jedenfalls nicht unsachliche oder willkürliche Anwendung des Grundsatzes der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) handelt; eine herrschende Meinung läßt sich kaum noch ausmachen (vgl. BGH NJW 1998, 612 m.w.N. und zum Meinungsstand im einzelnen MünchKomm/Feiber § 42 Rn. 33). Nach dem jetzigen Meinungsstand erscheint der richterliche Hinweis auf eine mögliche Verjährung zumindest vertretbar, jedenfalls nicht unsachlich oder willkürlich (vgl. BGH aaO). Daher war das Verhalten des abgelehnten Richters bei vernünftiger Betrachtung auch vom Standpunkt der Antragsteller aus gesehen nicht geeignet, die Befürchtung seiner Befangenheit zu begründen.
3. Der Senat hält es für angemessen, den Antragstellern die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht jedoch kein Anlaß (§ 47 Satz 2 WEG; BayObLG WE 1989, 110).
Die Entscheidung über den Geschäftswert beruht auf § 48 Abs. 3 Sätze 1 und 2 WEG. Der Geschäftswert im Ablehnungsverfahren entspricht dem des Hauptsacheverfahrens. Der Senat hält es jedoch für angemessen, den Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG niedriger, nämlich auf 100 000 DM festzusetzen.
Unterschriften
Lehr, Werdich, Dr. Delius
Fundstellen
Haufe-Index 545635 |
NJW 1999, 1875 |
BayObLGR 1999, 58 |
NZM 1999, 509 |
ZMR 1999, 420 |
AnwBl 2000, 762 |
WuM 2000, 206 |