Leitsatz (amtlich)
1. Begehrt ein Beteiligter eines abgeschlossenen, in den Anwendungsbereich des FamFG fallenden Verfahrens Einsicht in die Verfahrensakte, ist dieses Akteneinsichtsgesuch nicht an § 13 Abs. 1, sondern an § 13 Abs. 2 FamFG zu messen.
2. Das berechtigte Interesse des Beteiligten eines abgeschlossenen FamFG-Verfahrens an der Akteneinsicht (§ 13 Abs. 2 FamFG) ist in der Regel zu bejahen.
Verfahrensgang
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 855/21) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 147/22) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 527/22) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 757/22) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 797/22) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 254/23) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 310/23) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 3 F 19/24) |
Tenor
1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 6. Juni 2024, Az. 3 F 855/21, 3 F 147/22, 3 F 527/22, 3 F 757/22, 3 F 797/22, 3 F 254/23 und 3 F 19/24, sowie der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 21. Juni 2024, Az. 3 F 310/23, werden aufgehoben.
2. Der Antragsgegner wird angewiesen, die Anträge des Antragstellers vom 25. April 2024 auf Bewilligung von Einsicht in die vorgenannten Verfahrensakten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit in einem Schriftsatz zusammengefassten Anträgen auf gerichtliche Entscheidung wenden sich die zum Zweck der Erlangung von Akteneinsicht neu mandatierten Bevollmächtigten des Antragstellers gegen die Ablehnung ihrer ebenfalls in einem Schriftsatz zusammengefassten Anträge auf Einsicht in die Akten der oben bezeichneten familiengerichtlichen Verfahren des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck.
Diese Verfahren hatten verschiedene Gegenstände; so betrafen
- die Verfahren 3 F 855/21 und 3 F 757/22 Fragen des Umgangsrechts,
- die Verfahren 3 F 147/22, 3 F 527/22, 3 F 254/23, 3 F 310/23 und 3 F 19/24 Fragen des elterlichen Sorgerechts
bezüglich der gemeinsamen Söhne des Antragstellers und B. Ks. und
- das Verfahren 3 F 797/22 einen gegen den Antragsteller gerichteten Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz.
In sämtlichen Verfahren war der hiesige Antragsteller entweder Antragsteller (3 F 147/22, 3 F 757/22 und 3 F 310/23), Antragsgegner (3 F 855/21, 3 F 527/22, 3 F 797/22 und 3 F 19/24) oder weiterer Beteiligter (3 F 254/23).
Mit Schriftsatz vom 25. April 2024 beantragte der Antragsteller mit der Begründung, Amtshaftungsansprüche "auch in Bezug auf das Tätigwerden des Jugendamts bzw. von Freien Trägern der Jugendhilfe" prüfen zu wollen, Einsicht sowohl in die Akten der oben genannten, im Zeitpunkt der Antragstellung abgeschlossenen Verfahren als auch in die Akten weiterer familiengerichtlicher Verfahren, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgeschlossen waren. Während ihm die Einsicht in die zuletzt genannten Verfahrensakten bewilligt wurde, wies das Amtsgericht Fürstenfeldbruck in den hier gegenständlichen Verfahren mit gleichlautenden, von der Referatsrichterin gezeichneten Schreiben vom 27. Mai, 29. Mai bzw. 6. Juni 2024 unter Bezugnahme auf "die Entscheidung des BGH, NJW 2015, 1827" darauf hin, dass die Gewährung von Akteneinsicht voraussetze, dass ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werde und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder Dritten nicht entgegenstünden; der bisherige Vortrag genüge diesen Anforderungen nicht.
Daraufhin trug der Antragsteller mit gleichlautenden Schriftsätzen zu sämtlichen offenen Verfahren ergänzend vor. Ein Amtshaftungsanspruch solle geprüft und im Fall gegebener Erfolgsaussichten durchgesetzt werden, "der möglicherweise eine Vielzahl von Beteiligten betrifft, Richter/innen, Verfahrensbeistände, Mitarbeiter/innen des Jugendamtes etc.". Für die Prüfung solcher Ansprüche sei es unerlässlich, die vollständigen Akten aller Verfahren durchzuarbeiten. Ansprüche könnten sich "aufgrund von Handlungen und Aussagen, die sich in den Anhörungsvermerken, in Schriftsätzen, in Telefonvermerken etc. befinden, ergeben". Da der Antragsteller Beteiligter der Verfahren gewesen sei, kenne er den Inhalt zwar aus der Erinnerung; ihm müsse aber ermöglicht werden, "den Verfahrensgang, Äußerungen etc." beweisen zu können, wenn diese die Grundlage der Amtshaftung bildeten. Schutzwürdige Interessen Dritter oder anderer Beteiligter stünden nicht entgegen. Die vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs weise zudem zutreffend darauf hin, dass über das Einsichtsrecht nach Abschluss des Verfahrens nicht die Richterin entscheide, sondern gemäß § 299 Abs. 2 ZPO die Gerichtsverwaltung. Abgesehen davon regele § 299 Abs. 2 ZPO nur eine Glaubhaftmachung bei Akteneinsicht durch Dritte, während der Antragsteller Verfahrensbeteiligter und sein rechtliches Interesse nach § 299 Abs. 2 ZPO offensichtlich und daher zu bejahen sei.
Mit gleichlautenden Beschlüssen vom 6. Juni und (bet...