Leitsatz (amtlich)
An der früheren Praxis des Bayerischen Obersten Landesgerichts, das sich bei Gelegenheit einer Entscheidung zur Bestimmung des für den Rechtsstreit gegen mehrere Streitgenossen gemeinsam (örtlich) zuständigen Gerichts auch mit der funktionellen Zuständigkeit befasst hat, wird angesichts der eindeutigen gesetzlichen Zuständigkeitsregelung in § 36 Abs. 1 ZPO nicht festgehalten.
Tenor
1. Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Memmingen bestimmt.
2. Hinsichtlich des Antrags auf Bestimmung der gemeinsam funktionell zuständigen Kammer erklärt sich das Bayerische Oberste Landesgericht für sachlich unzuständig und verweist das Verfahren insoweit entsprechend § 281 Abs. 1 ZPO an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit.
Gründe
I. Die im Bezirk des Landgerichts Memmingen wohnhafte Antragstellerin begehrt die Bestimmung des zuständigen Gerichts und der funktionell zuständigen Kammer für eine Klage, mit der sie die Antragsgegner zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner auf Zahlung eines offenen Kaufpreisteilbetrags in Anspruch nehmen möchte.
Nach ihrem Vorbringen verkaufte und übereignete sie gemäß Vertrag vom 14. Juli 2020 das in der Anlage 1 zum Vertrag verzeichnete Inventar und Anlagevermögen des von ihr betriebenen Gewerbebetriebs zu einem Gesamtkaufpreis von 180.000,00 EUR an die mit Gesellschaftsvertrag vom 22. Juni 2020 gegründete, mittlerweile umfirmierte Antragsgegnerin zu 1), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Deren Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer, die Antragsgegner zu 2) und 3), hätten gemäß Ziffer 8 des Vertrags die Bürgschaft für die Bezahlung des in drei Teilbeträgen fälligen Entgelts übernommen und hafteten nach der vertraglichen Abrede gesamtschuldnerisch mit der Antragsgegnerin zu 1) auf den Kaufpreis. Gegenstand der beabsichtigten Klage seien die am 27. Dezember 2021 und 30. Juni 2022 fällig gewordenen, aber nicht beglichenen Raten in Höhe von 60.000,00 EUR und 40.000,00 EUR.
Ziffer 10 des - von den Bürgen mitunterzeichneten - Vertrags lautet auszugsweise:
Ausschließlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist das Landgericht Memmingen.
Die Antragsgegnerin zu 1), die bei Vertragsschluss ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Memmingen hatte, ist aufgrund der am 28. Februar 2022 beschlossenen Sitzverlegung nun im Bezirk des Landgerichts München II ansässig. Der Antragsgegner zu 2) ist - wie bereits bei Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung - im Bezirk des Landgerichts München II, der Antragsgegner zu 3) unverändert im Bezirk des Landgerichts Tübingen wohnhaft.
Die Antragstellerin hat bei dem Oberlandesgericht München um die Bestimmung des gemeinsam örtlich zuständigen Gerichts sowie der funktionell zuständigen Kammer nachgesucht. Sie hat die Meinung vertreten, den Antragsgegnern zu 2) und 3) sei es zumutbar, sich bei dem Landgericht Memmingen verklagen zu lassen, denn sie hätten die Verhandlungen des Kauf- und Bürgschaftsvertrags geführt, in dem die Parteien das Landgericht Memmingen als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart hätten. Schützenswerte Interessen stünden einer Bestimmung dieses Gerichts nicht entgegen. Eine funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen bestehe nur insoweit, als die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichtet werden solle; in diesem Verhältnis resultiere die Streitigkeit aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft. Für die gegen die Bürgen beabsichtigte Klage sei hingegen die allgemeine Zivilkammer zuständig. Vor diesem Hintergrund werde angeregt, als funktionell zuständig die allgemeine Zivilkammer zu bestimmen.
Das Oberlandesgericht hat der Antragstellerin mitgeteilt, es sei für die Bestimmungsentscheidung nach § 36 Abs. 2 ZPO nicht zuständig, und angefragt, ob Abgabe an das Bayerische Oberste Landesgericht beantragt werde. Gemäß dem daraufhin gestellten Antrag hat es die Sache ohne Anhörung der Antragsgegner mit Beschluss vom 15. März 2022 unter Bezugnahme auf § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben. Dieser Beschluss ist nur der Antragstellerin übermittelt worden.
Im Verfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht sind die Antragsgegner zu dem Bestimmungsantrag angehört worden. Sie haben geltend gemacht, eine Sachnähe des Landgerichts Memmingen bestehe nicht. Die Gerichtsstandsvereinbarung könne nicht maßgeblich sein, denn für die Bürgen, die keine Vollkaufleute seien, habe sie keine Bedeutung. Mit Blick darauf, dass die allgemeinen Gerichtsstände zweier Antragsgegner im Bezirk des Landgerichts München II lägen, erscheine die Auswahl dieses Gerichts zweckmäßig. Es werde angeregt, die Kammer für Handelssachen als zuständig zu bestimmen, da es um Ansprüche im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf und somit um eine klassische handelsrechtliche Streitigkeit gehe.
Die Parteien sind darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige, für den Rechtsstreit das Landgericht Memmingen als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Mit...