Leitsatz (amtlich)
1. Der Umfang der materiellen Rechtskraft eines im Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Beschlusses ist durch Auslegung zu ermitteln.
2. Aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme kann bei zerstrittenen Wohnungseigentümern die Pflicht folgen, ihre Rechte so auszuüben, dass Streit fördernde Begegnungen vermieden werden.
Verfahrensgang
LG Landshut (Beschluss vom 11.02.2004; Aktenzeichen 60 T 2768/03) |
AG Freising (Aktenzeichen 4 UR II 31/02) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des LG Landshut vom 11.2.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer einer aus drei Wohnungen bestehenden Anlage. Je zur Hälfte gehören den Antragstellern die im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Räume samt Garage und den Antragsgegnern, die die Anlage errichtet hatten, die im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten Räumlichkeiten. Nach § 1 Nr. 6 der Gemeinschaftsordnung vom 30.11.1990 steht den jeweiligen Eigentümern der Raumeinheit Nr. 2 das alleinige Recht zu, die Teile der Umgriffsfläche, welche nicht als Zugangs- oder Zufahrtsfläche, Platz für Müllbehälter, Teppichklopfplatz usw. benötigt werden, zu nutzen. Im ersten Nachtrag zur Teilungserklärung vom 1.4.1992 wurde die Gemeinschaftsordnung dahin abgeändert, dass den jeweiligen Eigentümern der Raumeinheit Nr. 3 das Recht zusteht, die nach dem der Urkunde beigefügten Plan grün dargestellte unbebaute Grundstücksfläche (ca. 100 m2) östlich des Wohngebäudes und südlich des Garagengebäudes unter Ausschluss der übrigen Eigentümer als Garten zu nutzen.
Die Beteiligten, die wegen der Bestimmung der Grenze der den Antragstellern zustehenden Sondernutzungsfläche bereits ein Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz durchgeführt hatten, welches durch Beschluss des BayObLG vom 28.2.2001 (BayObLG, Beschl. v. 28.2.2001, ZWE 2001, 552) rechtskräftig entschieden wurde, streiten nach wie vor um die Abgrenzung der Nutzungsrechte im Gartenbereich. Die Antragsteller begehren die Entfernung eines von den Antragsgegnern im Bereich vor dem südlichen Erkerfenster im September 2002 errichteten Maschendrahtzauns. Ferner erstreben sie die Beseitigung eines vor diesem zu ihrer Wohnung gehörenden Fenster aufgestellten Leiterwagens samt Pflanzkübeln. Sie sind der Meinung, dass der Zaun nicht entlang der tatsächlichen Grenze verlaufe und sich Leiterwagen und Pflanzen nicht im sondernutzungsfähigen Bereich der Antragsgegner befänden. Die Antragsgegner berufen sich auf den Beschluss des Bayerischen Obersten LG, der ihnen das Recht gebe, den Zaun entsprechend zu ziehen und die Gegenstände auf ihrer Umgriffsfläche zu platzieren.
Das AG hat den Antrag mit Beschluss vom 25.9.2003 zurückgewiesen. Das LG hat durch Beschluss vom 11.2.2004 die erstrichterliche Entscheidung dahin abgeändert, dass die Antragsgegner verurteilt wurden, den Zaun zu entfernen, soweit er nicht vom Süd-West-Eck des Hauses 1,1 m entfernt entlang der Hausmauer bis zur südlichen Erkeraußenmauer verlaufe, sowie die unter dem Erkerfenster aufgestellten Pflanzen zu entfernen und den Leiterwagen allenfalls so aufzustellen, dass er nicht auf der Sondernutzungsfläche der Antragsteller stehe. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das LG hat ausgeführt:
Der von den Antragsgegnern errichtete Zaun verlaufe nicht entlang der Sondernutzungsfläche der Antragsteller, sondern rage teilweise in diese hinein. In diesem Umfang sei er zu entfernen. Gegenstand und Inhalt des den Antragstellern als Eigentümern der Wohnung Nr. 3 eingeräumten Sondernutzungsrechts ergebe sich aus den Eintragungen im Grundbuch, welche Bezug nähmen auf die vertragliche Einräumung dieses Rechts. Durch den bei den Akten befindlichen Plan sei eine maßstabsgetreue exakte Festlegung der Grenze nicht erzielt worden, da die tatsächliche Bauausführung dem Plan nicht entsprochen habe. Zwanglos und zwischen den Beteiligten unstreitig ergebe sich zunächst ein Grenzverlauf entlang der Treppe sowie der Erkeraußenmauer. Vom Bayerischen Obersten LG sei letztinstanzlich festgelegt worden, dass auf der "anderen Seite des Erkers" die Grenze entlang des Dachüberstands in der Entfernung von ca. 1,1 m von der Hausmauer verlaufe. Der vorliegende Streit drehe sich um den Bereich der "zweiten Außenmauer" des Erkers und sei noch nicht verbeschieden. Entgegen der Auffassung der Beteiligten sei für den Grenzverlauf hier weder ausschließlich die Hausmauer noch der tatsächliche Dachüberstand entscheidend. Aus dem Plan ergebe sich insoweit, dass die Grenze achsenparallel zur Hausmauer bis zur Erkeraußenmauer liege. Vom südwestlichen Eck der Sondernutzungsfläche verlaufe sie so...