Leitsatz (amtlich)
1. Verpachtet eine Marktgemeinde ein nicht mehr für öffentliche Zwecke benötigtes Gebäude an einen privaten Dritten und räumt diesem hierfür gleichzeitig ein Ankaufsrecht ein, so liegt darin kein „wirtschaftliches Unternehmen” i.S.v. § 144 Abs. 1 S. 1 KostO (Ergänzung zu BayObLG MittBayNot 1997, 314).
2. Zur Erstreckung der Gebührenermäßigung für eine Marktgemeinde auf den privaten Dritten, wenn dieser vertraglich die Kosten der notariellen Beurkundung des Pachtvertrages und des Ankaufsrechts übernommen hat (Bestätigung von BayObLGZ 1961, 141).
Normenkette
KostO § 144 Abs. 1 und Abs. 3
Verfahrensgang
LG Passau (Aktenzeichen 4 T 8/02) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG Passau vom 4.7.2002 wird insoweit abgeändert, als der Betrag der Kostenrechnung des beteiligten Notars auf 2.698,10 DM herabgesetzt wird.
II. Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten schlossen am 17.2.1999 einen vom beteiligten Notar beurkundeten Vertrag, wonach der Beteiligte zu 1), eine bayerische Gemeinde, ein ihr gehörendes Gebäude auf 10 Jahre zur Benutzung als Fitness- und Tanzstudio an die Beteiligten zu 2) und 3) verpachtete. In dem Vertrag wurde den Beteiligten zu 2) und 3) ein Ankaufsrecht für die Dauer des Pachtverhältnisses eingeräumt. Eine Absicherung im Grundbuch wurde hierfür nicht vorgesehen. Die Urkunde enthält abschließend eine Klausel, wonach die Beteiligten zu 2) und 3) die Kosten der Niederschrift und ihres Vollzugs tragen.
Der beteiligte Notar erstellte für die Beurkundung eine Rechnung über 3.386,27 DM, die er den Beteiligten zu 2) und 3) übersandte. Nach einer im April 2000 durchgeführten Prüfung beanstandete die Prüfungsabteilung der Notarkasse, dass die Gebührenermäßigung für Gemeinden nicht beachtet worden sei. Der auf den Beteiligten zu 1) entfallende Hälfteanteil der Gebühr müsse um 50 % ermäßigt werden. Da der beteiligte Notar dem entgegentrat, wies ihn der Präsident des LG auf Ersuchen der Notarkasse an, eine Entscheidung des LG herbeizuführen. Auf die demgemäß eingelegte Beschwerde des beteiligten Notars hat das LG am 4.7.2002 dessen Kostenrechnung bestätigt.
Hiergegen richtet sich die ebenfalls auf Weisung des Präsidenten des LG erhobene weitere Beschwerde des beteiligten Notars.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 156 Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 6 S. 1 KostO), insb. durch das LG zugelassen. Sie ist zum Teil begründet. Die Kostenrechnung des beteiligten Notars besteht, entgegen der Auffassung des LG, nicht in vollem Umfang zu Recht. Das LG hat ausgeführt, die Notargebühren seien nicht gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KostO zu ermäßigen, da die Angelegenheit ein wirtschaftliches Unternehmen des Beteiligten zu 1) betreffe. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern (§ 156 Abs. 2 S. 3 KostO). Der Senat kann abschließend in der Sache entscheiden, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind.
1. Abgesehen davon, dass der Beteiligte zu 1) als Gemeinde unter § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, nicht Nr. 1 KostO fällt, ist auch die Zuordnung des verfahrensgegenständlichen Geschäfts zum Begriff des wirtschaftlichen Unternehmens, wie sie das LG vorgenommen hat, nicht zutreffend.
a) Zur Auslegung des Begriffs des „wirtschaftlichen Unternehmens” i.S.v. § 144 Abs. 1 S. 1 KostO wird häufig auf eine Entscheidung des BGH (BGH v. 2.7.1985 – X ZR 77/84, BGHZ 95, 155 [157] = MDR 1985, 932) zurückgegriffen (vgl. BayObLG MittBayNot 1997, 314; Korintenberg/Schwarz, KostO, 15. Aufl., § 144 Rz. 13). Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage, ob die Deutsche Bundesbahn ein Gewerbe i.S.d. § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB betreibe. Der BGH hat ausgeführt, auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft könne mit Erwerbsabsicht handeln, sofern sie ein wirtschaftliches Unternehmen betreibe. Darunter fielen solche Einrichtungen und Anlagen, die auch von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Erzielung dauerhafter Einnahmen betrieben werden könnten und gelegentlich auch betrieben würden. Diese Formel allein wird zwar dem Zweck der Einschränkung in § 144 Abs. 1 S. 1 KostO nicht in jeder Beziehung gerecht (vgl. BayObLG v. 5.11.1992 – 3Z BR 136/92, BayObLGZ 1992, 324 [326 f.] = BayObLGReport 1993, 31 = MDR 1993, 585). Sie zeigt aber auf, dass von einem Unternehmen nur gesprochen werden kann, wenn die ausgeübte Tätigkeit derjenigen eines privaten Wirtschaftsunternehmens vergleichbar sein muss. Es muss sich um eine auf Dauer angelegte, fortgesetzte und planmäßige Teilnahme am Wirtschaftsleben handeln (vgl. auch Widtmann/Grasser, GO, 9. ErgLfg, Art. 87 Rz. 4).
Das aus einer besonderen Situation heraus einmalig betriebene Geschäft, auch wenn es auf eine gewisse Dauer Einnahmen erbringen mag, stellt noch keine fortgesetzte und planmäßige Teilnahme am Wirtschaftsleben und damit kein wirtschaftliches Unternehmen dar. Es fällt regelmäßig in den Bereich der Verwaltung des Vermögens der Körperschaft, wozu auch die Veräußerung oder Verpachtung nicht mehr benötigter Gegenstände zählen könn...