Leitsatz (amtlich)
›Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn in der Hauptverhandlung, in der der Betroffene weder erschienen noch vertreten ist, Bundeszentralregister- und Verkehrszentralregisterauszüge des Betroffenen sowie Eintragungen betreffende Straf- und Bußgeldakten verwertet werden, ohne daß der Betroffene hierauf zuvor hingewiesen wurde. Auch die prozessuale Fürsorgepflicht gebietet einen entsprechenden Hinweis grundsätzlich nicht, da jeder Betroffene damit rechnen muß, daß seine aktenkundige Vergangenheit im Verfahren Berücksichtigung findet.‹
Gründe
Nach § 80 Abs. 1 OWiG darf die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt nach einstimmiger Auffassung des Senats hier offensichtlich nicht vor.
Insbesondere ist ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht gegeben. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf ein Gericht seiner Entscheidung keine Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde legen, zu denen die Beteiligten sich nicht vorher hatten äußern können. Dieser aus Art. 103 Abs. 1 GG gefolgerte Grundsatz gilt auch für das Bußgeldverfahren. Zum Nachteil eines Betroffenen können deshalb Beweismittel nicht berücksichtigt werden, mit denen der Betroffene nach dem Ergebnis des bisherigen Verfahrens nicht zu rechnen brauchte und durch deren Berücksichtigung er daher überrascht wird. In einem solchen Fall muß wie im Strafverfahren die Hauptverhandlung ausgesetzt oder unterbrochen werden, um dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, auch zu den neuen Tatsachen Stellung zu nehmen (vgl. BayObLGSt 1972, 250/251; KK OWiG/Senge § 74 Rn. 16; Göhler OWiG 11.Aufl. § 74 Rn. 17 jeweils m.w.Nachw.).
Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Bereits aus § 222 StPO ergibt sich, daß eine Hinweispflicht des Gerichts vor allem besteht, soweit es um die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen geht. Demgegenüber ist anerkannt, daß eine Unterrichtung über die Herbeiziehung neuer sachlicher Beweismittel, also insbesondere Urkunden, nicht erforderlich ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 41.Aufl. § 222 Rn. 2; § 221 Rn. 3). Dies muß nach Auffassung des Senats insbesondere für Registerauszüge gelten, da ein Betroffener mit ihrer Einholung und Berücksichtigung immer rechnen muß.
Im vorliegenden Fall gebot auch die allgemeine Fürsorgepflicht des Gerichts nicht, den Betroffenen vor der Hauptverhandlung darauf hinzuweisen, daß Registerauszüge erholt wurden und welchen Inhalt sie hatten. Insbesondere folgt eine solche Verpflichtung nicht aus der von dem Verteidiger des Betroffenen vor der Hauptverhandlung geäußerten Bitte, ihm für den Fall der Einholung eines neuen Auszuges aus dem Verkehrszentralregister erneut Akteneinsicht zu gewähren. Dieser Antrag war offensichtlich (weil auch nur insoweit sinnvoll) für den Fall gestellt, daß dieser Auszug nicht die Behauptung des Betroffenen bestätigen sollte, die Eintragungen seien getilgt. Da der vom Gericht erholte Auszug aus dem Verkehrszentralregister gerade die Behauptung des Betroffenen bestätigte, war das Gericht nicht gehalten, nochmals Akteneinsicht zu gewähren oder den Betroffenen vom (negativen) Inhalt dieses Auszuges zu unterrichten. Ebensowenig bestand eine Hinweispflicht auf den Inhalt des erholten Auszuges aus dem Bundeszentralregister und die Tatsache, daß die der dort enthaltenen Eintragung zugrundeliegenden Strafakten eingeholt worden waren. Deren Beiziehung konnte für den Betroffenen nicht überraschend sein, da jeder Angeklagte oder Betroffene damit rechnen muß, daß seine aktenkundige Vergangenheit im Verfahren Berücksichtigung findet.
Das Amtsgericht hat allerdings eine unzutreffende Rechtsauffassung zur Verwertbarkeit der getilgten Eintragungen vertreten. Damit, daß ein Gericht aus Beweismitteln unzutreffende tatsächliche oder rechtliche Folgerungen zieht, muß ein Betroffener aber immer rechnen. Da der Betroffene Gelegenheit hatte, durch Teilnahme an der Verhandlung hierzu Stellung zu nehmen, liegt ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör insoweit nicht vor.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlich.en Rechtsprechung geboten. Der Senat nimmt insoweit auf die dem Verteidiger des Betroffenen zugestellte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht vom 1.2.1995 Bezug. Dort ist zu Recht ausgeführt, daß die irrtümliche Tilgung von Eintragungen die hierdurch eintretenden Rechtswirkungen der Tilgung nicht hindert. Erst nach Wiedereintragung gemäß § 50 BZRG entfallen die Rechtswirkungen einer Tilgung (vgl. Rebmann/Uhlig BZRG § 51 Rn. 19). Ein klärendes Wort hierzu durch das Rechtsbeschwerdegericht ist daher nicht veranlaßt. Ebensowenig ist es aus den von der Staatsanwaltschaft bereits genannten Gründen ver...