Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestellung eines Betreuers kann im ausschließlichen Interesse eines Dritten zulässig sein.
2. Regt der Vermieter, z.B. um wirksam kündigen zu können, die Bestellung eines Betreuers für den Mieter an und begründet dies schlüssig damit, daß dieser geschäftsunfähig geworden sei, ist er gegen die ablehnende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beschwerdeberechtigt.
Normenkette
BGB § 1896; FGG § 20 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 20.10.1995; Aktenzeichen 6 T 4909/95) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen XVII 146/95) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts München II vom 20. Oktober 1995 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Mit Vertrag vom 12.3.1984 hat der Beteiligte an den Betroffenen eine Wohnung vermietet.
Im Juni 1995 wandte sich der Beteiligte mit der Bitte an das Amtsgericht, für den Betroffenen einen Betreuer zu bestellen, da er beabsichtige, das Mietverhältnis zu kündigen, eine wirksame Kündigung aber daran scheitere, daß der Betroffene gemäß einem psychiatrischen Gutachten vom 8.9.1994 aufgrund einer anhaltend krankhaften Störung der Geistestätigkeit geschäftsunfähig geworden sei.
Mit Beschluß vom 3.7.1995 lehnte das Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers ab. Zum Zwecke der Kündigung der Mietwohnung des Betroffenen sei eine solche Maßnahme nicht gerechtfertigt.
Gegen diesen Beschluß legte der Beteiligte Beschwerde ein. Durch die Entscheidung des Amtsgerichts werde er praktisch rechtlos gestellt, da er in Anbetracht der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen seine Rechte als Eigentümer und Vermieter der Wohnung auf unabsehbare Zeit nicht ausüben könne.
Das Landgericht hat die Beschwerde am 20.10.1995 mit der Begründung als unzulässig verworfen, der Beschwerdeführer sei nicht beschwerdeberechtigt. Die angefochtene Entscheidung greife nicht unmittelbar in ein subjektives Recht des Beschwerdeführers ein.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte mit der weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Berechtigung des Beteiligten zur weiteren Beschwerde ergibt sich daraus, daß seine Erstbeschwerde verworfen worden ist (vgl. BayObLGZ 1993, 253/255).
Die weitere Beschwerde, auf die hin der Senat die Zulässigkeit der Erstbeschwerde selbständig zu prüfen hat (vgl. BayObLGZ 1993, 76/77; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 27 FGG Rn. 24), hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die Kammer hat die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 FGG zu Unrecht verneint.
a) Nach dieser Bestimmung steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die angefochtene Verfügung beeinträchtigt ist.
Recht in diesem Sinne ist jedes durch Gesetz verliehene oder durch die Rechtsordnung anerkannte, von der Staatsgewalt geschützte private oder öffentliche subjektive Recht (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 341/342; Bassenge/Herbst § 20 FGG Rn. 5; Jansen FGG 2. Aufl. § 20 Rn. 4; Keidel/Kahl FGG 13. Aufl. § 20 Rn. 7), dagegen nicht schon ein rechtliches oder berechtigtes (wirtschaftliches, ideelles oder sonstiges) Interesse (vgl. BayObLG aaO; BayObLGZ 1993, 234/235 f.; OLG Köln Rpfleger 1995, 163/164).
Der Begriff der Beeinträchtigung erfordert, daß die angefochtene Entscheidung unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingreift. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn durch eine rechtsgestaltende Verfügung ein Recht oder eine Befugnis des Beschwerdeführers aufgehoben oder gemindert wird. Vielmehr genügt, daß der Beschwerdeführer in der freien Ausübung seines Rechtes gestört oder ihm die Ausübung erschwert wird (vgl. KG OLGZ 1989, 129/130; Bassenge/Herbst § 20 FGG Rn. 8, Jansen § 20 Rn. 4, 7, 9 und 10, Keidel/Kahl § 20 Rn. 12, je m.w.N.).
Eine solche Rechtsbeeinträchtigung muß – die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung unterstellt – grundsätzlich tatsächlich vorliegen (vgl. BGH MDR 1963, 39; BayObLGZ 1983, 149/150; OLG Zweibrücken Rpfleger 1977, 305; Bassenge/Herbst § 20 FGG Rn. 9; Keidel/Kahl § 20 Rn. 17). Bezüglich solcher Tatsachen, von denen nicht nur die Rechtsbeeinträchtigung, sondern auch die Begründetheit der Beschwerde abhängt (sog. doppelrelevante Tatsachen), genügt deren schlüssige Behauptung (vgl. BGH aaO; BayObLG FamRZ 1994, 1061; OLG Zweibrücken OLGZ 1978, 155; Bassenge/Herbst § 20 FGG Rn. 10; Jansen § 20 Rn. 7).
b) Demnach war der Beschwerdeführer zur Anfechtung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 3.7.1995 befugt.
Dadurch, daß das Vormundschaftsgericht die Bestellung eines Betreuers abgelehnt hat, hat es – die Unrichtigkeit dieser Entscheidung unterstellt – in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers als Vermieter der betreffenden Wohnung unmittelbar nachteilig eingegriffen (§ 20 Abs. 1 FGG; vgl. Bauer in HK-BUR § 1896 BGB Rn. 40). Ist der Betroffene, wie vom Beschwerdeführer durch die Bezugnahme auf ein entsprechendes Gutachten schlüssig vorgetragen, inzwis...