Leitsatz (amtlich)
Zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung am Ort, an dem die Bank des Betrogenen dessen vermögensschädigende Anweisung zum Geldtransfer erhalten und zu Lasten seines dort geführten Kontos ausgeführt hat.
Normenkette
ZPO §§ 32, 35, 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 281, 696; StGB § 263
Verfahrensgang
LG Hof (Aktenzeichen 12 O 561/02) |
LG Stade (Aktenzeichen 4 O 5/03) |
Tenor
I. Für die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) ist das LG Stade zuständig.
II. Für die beabsichtigte Klage gegen den Beklagten zu 3) wird die Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten als Verantwortliche von Kapitalanlagefirmen mit Sitz in Liechtenstein und auf den Jungferninseln aus dem Gesichtspunkt des Anlagebetrugs auf Schadensersatz gesamtschuldnerisch in Anspruch. Gegen die damals in den Justizvollzugsanstalten Hof und Kronach einsitzenden Beklagten zu 1) und 2) ergingen am 28.11.2000 Mahnbescheide, gegen die jeweils Widerspruch eingelegt wurde. In den Mahnbescheidsanträgen waren als zuständige Streitgerichte die LG Leipzig (Beklagter zu 1) und Coburg (Beklagter zu 2) angegeben. Im August 2002 beantragte der Kläger die Abgabe des Verfahrens „an das Streitgericht”. Daraufhin wurde das Verfahren gegen beide Beklagte an das LG Hof abgegeben, wo die Akten am 11.10.2002 eingingen. Mit Schriftsatz vom 25.11.2002 beantragte der Kläger die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für die Beklagten zu 1) und 2) sowie für eine beabsichtigte inhaltsgleiche Klage gegen den Beklagten zu 3), als dessen Adresse er die Justizvollzugsanstalt Amberg angab. Es stellte sich sodann heraus, dass schon zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim LG Hof keine Anschrift mehr zutraf: Der Beklagte zu 1) war in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart verlegt, der Beklagte zu 2) nach Rheinfelden (Baden) entlassen und der Beklagte zu 3) entlassen und ausgewiesen worden. Der Kläger beantragte nunmehr die Abgabe des Rechtsstreits an das LG Stade als dem nach § 32 ZPO zuständigen Gericht. Zur Begründung verwies er auf sein bei einer Volksbank im Bezirk dieses Gerichts geführtes Konto, von dem er Überweisungen an die Anlagefirmen getätigt habe; dort sei deshalb der Schaden entstanden. Den Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erklärte der Kläger für gegenstandslos.
Mit Beschluss vom 7.1.2003 erklärte sich das LG Hof für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit nach § 281 ZPO an das LG Stade. Dieses Gericht sei gem. § 32 ZPO örtlich zuständig, da dort der Erfolgsort der unerlaubten Handlung liege. Das LG Stade lehnte mit Beschluss vom 10.2.2003 die Übernahme ab und erklärte sich ebenfalls für nicht zuständig. Der Ort, an dem das klägerische Konto unterhalten wurde, sei nicht Erfolgsort, sondern allenfalls der Schadensort, der eine örtliche Zuständigkeit gem. § 32 ZPO nicht begründe. Eine gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das LG Stade als unzulässig verworfen (§ 281 Abs. 2 S. 2 ZPO). Mit Beschluss vom 13.3.2003 hat das LG Hof die Akten gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, hilfsweise gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst mit der Sache befassten LG Hof und dem LG Stade zuständig (§ 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor, soweit sich die Gerichte für die Klagen gegen die Beklagten zu 1) und 2) für unzuständig erklärt haben. Diese Klagen waren nach vorangegangenem Mahnverfahren mit Abgabe der Akten an das LG Hof rechtshängig geworden (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 636). Die Beschlüsse des LG Hof vom 7.1.2003 und des LG Stade vom 10.2.2003 wurden dem Klägervertreter und den Beklagtenvertretern zu 1) und 2) jeweils mitgeteilt und stellen für die gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichteten Klagen „rechtskräftige” Unzuständigkeitserklärungen i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dar.
2. Für die Klagen gegen die Beklagten zu 1) und 2) ist nach §§ 32, 35 ZPO das LG Stade zuständig.
a) Eine Zuständigkeit des LG Stade folgt allerdings noch nicht aus dem Verweisungsbeschluss des LG Hof. Denn dieser Beschluss konnte nicht die Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO entfalten, da das LG Hof den Beklagten zu 1) und 2) zum Verweisungsantrag des Klägers kein rechtliches Gehör gewährt hat (vgl. BGH v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338 [341] = MDR 1988, 470; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 281 Rz. 17a).
b) Das LG Stade ist als vom Kläger gewählter (§ 35 ZPO) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) zuständig. Der Ort, an dem i.S.d. § 32 ZPO die unerlaubte Handlung begangen ist (Begehungsort), ist sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort); nur der Schadensort als solcher ist ohne Belang (vgl. BGH v. 25.11.1993 – IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237 [245] = MDR 1...