Leitsatz (amtlich)
1. „Fachkenntnisse” bzw. „besondere Kenntnisse” sind Kenntnisse, die – bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet – über ein Grundwissen deutlich hinausgehen.
2. Für die Führung einer Betreuung „nutzbar” sind Fachkenntnisse, die ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser zu erfüllen.
3. Durch eine Ausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erworben sind für eine Betreuung nutzbare Fachkenntnisse, wenn die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf deren Vermittlung ausgerichtet ist.
Normenkette
BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Beschluss vom 27.07.1999; Aktenzeichen 15 T 71/99) |
AG Bayreuth (Aktenzeichen XVII 295/97) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 27. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Für die inzwischen verstorbene Betroffene war ein Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Einwilligung in die ärztliche Behandlung, Vermögenssorge, Wahrnehmung von Rechten gegenüber Bevollmächtigten sowie Entgegennahme und Öffnen von Postsendungen. Der ehemalige Betreuer ist Diplom-Geograph, führte die Betreuung gemäß Feststellung des Amtsgerichts berufsmäßig und ist der Ansicht, daß ihm für seine im Jahr 1999 verrichtete Tätigkeit ein Stundensatz von netto 60 DM zustehe, da er über besondere, für die Führung der Betreuung nutzbar gewesene und durch seine Hochschulausbildung erworbene Kenntnisse verfüge.
Während das Amtsgericht dieser Ansicht bei der Festsetzung der dem ehemaligen Betreuer aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung folgte, hat das Landgericht den Stundensatz auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse mit Beschluß vom 27.7.1999 auf 56,25 DM einschließlich Mehrwertsteuer reduziert.
Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des ehemaligen Betreuers.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 29 Abs. 2 i.V.m. § 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 1 FGG) und vom Landgericht zugelassen (§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG), bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Gemäß der dreistufigen Skala der Stundensätze, die einem Berufsbetreuer zustehen, der wegen Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu vergüten ist, könne der ehemalige Betreuer seit dem 1.1.1999 lediglich einen Stundensatz von 35 DM zuzüglich Mehrwertsteuer verlangen. Er habe zwar ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorzuweisen. Mit Bescheid vom 8.2.1990 habe das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst den von ihm an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erworbenen Befähigungsnachweis, nämlich das Zeugnis über die Hauptprüfung in der Fachrichtung Geographie und das Diplom über die Verleihung des akademischen Grades Diplom-Geograph, als gleichwertig mit einer Diplomprüfung in Geographie, abgelegt an einer wissenschaftlichen Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland, anerkannt. Der ehemalige Betreuer habe durch dieses Studium jedoch keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse erworben, da es bis auf das in der ehemaligen DDR obligate Prüfungsfach „Marxismus-Leninismus” ausschließlich naturwissenschaftliche Fächer und speziell Fächer der Geographie umfaßt habe. Aufgrund der gesetzlichen Übergangsregelung könne dem ehemaligen Betreuer für die abgerechnete Zeit aber der Stundensatz von 56,25 DM einschließlich Mehrwertsteuer zugebilligt werden.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Hat das Vormundschaftsgericht festgestellt, daß der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, hat es ihm für seine Tätigkeit eine Vergütung zu bewilligen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB).
Ist der Betreute mittellos, kann der Berufsbetreuer Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836 a BGB), und zwar für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit den seiner Qualifikation entsprechenden, vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegten Betrag (§ 1836a BGB; § 1 Abs. 1 BVormVG; vgl. BT-Drucks, 13/7158 S. 27), gegebenenfalls zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BVormVG). Der Mindeststundensatz beläuft sich auf 35 DM (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Die erhöhten Stundensätze von 45 bzw. 60 DM setzen voraus, daß der Berufsbetreuer über „Fachkenntnisse” bzw. „besondere Kenntnisse” verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine diesen Ausbildungen vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Sind die entsprechend erworbenen Fachkenntnisse für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar, wird grundsätzlich vermutet, daß sie auch für das konkrete Betreuungsverfahren nutzbar sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG).
(1) „Fachkenntnisse” bzw. „besondere Kenntnisse” (zwischen diesen...