Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache. Wohngeldforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist unabhängig vom Beschwerdewert zulässig, wenn das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat.
2. An der Glaubhaftmachung fehlenden Verschuldens an der Fristversäumnis fehlt es, wenn die Wahrscheinlichkeit, daß Hilfspersonen die schriftliche Benachrichtigung der Post über die Niederlegung übersehen und mit Werbeschriften weggeworfen haben, nicht größer ist als die Möglichkeit, dem Antragsteller selbst sei solches unterlaufen.
Normenkette
FGG § 29; ZPO §§ 233, 236 Abs. 2; WEG § 45 Abs. 1; FGG §§ 15, 22, 27
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 14 T 9436/00) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen 1 UR II 233/00) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 5. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.470 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller machen gegen die Antragsgegnerin, die Mitglied ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft ist, rückständige Wohngelder in Höhe von 1.470 DM geltend. Die Antragsschrift wurde der Antragsgegnerin durch Niederlegung bei der zuständigen Postfiliale am 11.8.2000 zugestellt, nachdem diese am 10.8.2000 in ihrer Wohnung nicht angetroffen worden war. Mit Beschluß vom 8.9.2000 hat das Amtsgericht dem Antrag stattgegeben. Der Antragsgegnerin wurde der Beschluß durch Niederlegung am 15.9.2000 zugestellt. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 31.10.2000 hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt und zugleich sofortige Beschwerde gegen den Beschluß vom 8.9.2000 eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 5.12.2000 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 45 Abs. 1 WEG, §§ 21, 22, 21, 29 FGG unabhängig davon zulässig, daß der Beschwerdewert, der seit 30.6.2000 750 Euro beträgt (§ 45 Abs. 1 i.d.F. von Art. 7 Abs. 8 des Gesetzes vom 27.6.2000, BGBl. I 897), überschritten ist. Denn das Landgericht hat die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen (BGHZ 119, 216; BayObLGZ 1990, 141/142).
1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht begründet. Der angegriffene Beschluß sei am 15.9.2000 durch Niederlegung beim zuständigen Postamt zugestellt und eine schriftliche Benachrichtigung hiervon in den Hausbriefkasten eingelegt worden. Wenn die Mitteilung übersehen worden sei, habe die Antragsgegnerin dies verschuldet. Das gelte auch dann, wenn man zugunsten der Antragsgegnerin unterstelle, diese habe sich bei der Briefkastenleerung aufgrund ihrer körperlichen Behinderung von Hilfskräften unterstützen lassen. Das Verschulden solcher rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter müsse sich die Antragsgegnerin nämlich entgegenhalten lassen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei somit zurückzuweisen. Weil die sofortige Beschwerde nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist eingelegt worden sei, sei diese unzulässig.
2. Die Überprüfung durch den Senat hat sich neben der rechtlichen auch auf die tatsächliche Seite zu erstrecken, weil es sich um die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit der Erstbeschwerde handelt (vgl. nur BayObLGZ 1959, 167/170 f.; 1979, 251/253; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 44). Danach erweist sich die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis als zutreffend.
a) Die sofortige Beschwerde vom 31.10.2000 war nicht fristgerecht eingelegt. Nach Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses am 15.9.2000 hätte sie vielmehr spätestens mit Ablauf des 29.9.2000 bei Gericht eingegangen sein müssen (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 2 Satz 1, § 22 Abs. 1, § 17 FGG, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).
b) Es kann dahinstehen, ob mit dem Antrag vom 31.10.2000 die zweiwöchige Frist des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG eingehalten ist, weil die Antragsgegnerin vor dem 17.10.2000 jedenfalls vom Kostenfestsetzungsantrag der Gegenseite Kenntnis hatte und bereits bei vorwerfbarer Nichtkenntnis von der Fristversäumung die Frist zu laufen beginnt (KG WuM 1993, 764; Keidel/Kahl § 22 Rn. 34). Denn Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung erhält nur, wer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG). Das kann die Antragsgegnerin nicht glaubhaft machen. Weder durch die eidesstattliche Versicherung noch durch das ärztliche Attest ist ausreichend wahrscheinlich, daß es nicht die Antragsgegnerin selbst war, die bei der Briefkastenleerung die schriftliche Benachrichtigung der Post übersehen hat. Ihre Erkrankung schloß es grundsätzlich nicht aus, sich aus der im 4. oder 5....