Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des zuständigen Insolvenzgerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für das Insolvenzverfahren ist örtlich ausschließlich zuständig das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk die wirtschaftlichnicht mehr aktive Schuldnerin (eine GmbH) satzungsgemäß ihren in das Handelsregister eingetragenen Sitz hat. Unmaßgeblich ist eine nur zum Zwecke der Liquidation vorgenommene Verlegung des Verwaltungssitzes, wenn am neuen Ort eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr stattfindet.

2. Willkürlich und damit nicht nach §§ 495, 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO bindend ist ein Verweisungsbeschluß, der gegenüber einer veröffentlichten, einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung auch nicht ansatzweise eine vertretbar erscheinende Gegenmeinung erkennen läßt.

 

Normenkette

InsO § 3 Abs. 1 S. 2, § 4; ZPO § 17 Abs. 1; GmbHG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 10

 

Verfahrensgang

AG Aachen (Aktenzeichen 19 IN 723/00)

AG Würzburg (Aktenzeichen IN 267/00)

 

Tenor

Als örtlich zuständiges Insolvenzgericht wird das Amtsgericht Würzburg bestimmt.

 

Gründe

I.

Die Schuldnerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Würzburg eingetragene GmbH. Mit einem an das Amtsgericht Würzburg gerichteten Schreiben der Schuldnerin vom 14.11.2000 beantragte ihr Geschäftsführer die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Auf Rückfrage teilte er mit, der Verwaltungssitz sei nach Einstellung der Firmentätigkeit nach Aachen verlegt worden, um dort die stille Liquidation des Unternehmens zu betreiben.

Das Insolvenzgericht Würzburg erklärte sich mit der Schuldnerin mitgeteiltem Beschluß vom 16.11.2000 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Insolvenzgericht Aachen. Über das Gesetzeszitat „§§ 3, 4 InsO, § 281 ZPO” hinaus ist der Beschluß mit keiner Begründung versehen.

Das Insolvenzgericht Aachen erklärte sich mit der Schuldnerin mitgeteiltem Beschluß vom 19.2.2001 ebenfalls für örtlich unzuständig und legte die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht mit dem Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits berufen, weil der Bundesgerichtshof das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der beteiligten Insolvenzgerichte Würzburg und Aachen wäre und das bayerische Amtsgericht Würzburg zuerst mit der Sache befaßt war (§ 4 InsO; § 36 Abs. 2 ZPO; § 9 EGZPO).

2. Die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Würzburg als auch das Amtsgericht Aachen haben sich rechtskräftig im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt. Das letztgenannte hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 37 Abs. 1 ZPO dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

3. Zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Amtsgericht Würzburg, weil in seinem Bezirk der in das Handelsregister eingetragene Sitz der Schuldnerin liegt (a) und weil der Verweisungsbeschluß vom 16.11.2000 keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO entfaltet (b).

a) Da die Schuldnerin im Amtsgerichtsbezirk Aachen keinen „Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit” i. S.v. § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO hat, ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO das Insolvenzgericht Würzburg, in dessen Bezirk die Schuldnerin ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. Der allgemeine Gerichtsstand einer GmbH ist der satzungsgemäß festgelegte und in das Handelsregister eingetragene Sitz der Gesellschaft (§ 4 InsO i.V.m. §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO; § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 10 GmbHG). Diese Rechtsauffassung wird in der durch Veröffentlichung zugänglichen obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig vertreten (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 22.12.2000, 4Z AR 147/00, vom 2.1.2001, 4Z AR 146/00 und vom 12.3.2001, 4Z AR 16/01).

b) Zwar ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO (hier i.V.m. § 495 ZPO) ein Verweisungsbeschluß für das Gericht, an das verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Eine Bindungswirkung besteht aber dann nicht, wenn der Verweisung jegliche Rechtsgrundlage fehlt, so daß sie objektiv willkürlich erscheint (BGH NJW 1993, 1273; Senat aaO; BayObLGZ 1993, 317). Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Denn der Beschluß des Amtsgerichts Würzburg läßt jede Darlegung vermissen, die eine Gegenmeinung zu der in der insolvenzrechtlichen Fachliteratur veröffentlichten und im Kern einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung auch nur ansatzweise vertretbar erscheinen lassen könnte.

 

Unterschriften

Jaggy, Frisch, Heiss

 

Fundstellen

Haufe-Index 592253

BayObLGR 2001, 56

ZIP 2003, 1305

InVo 2001, 321

NZI 2001, 10

NZI 2001, 372

ZInsO 2001, 517

ZInsO 2001, 669

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