Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gewährung von Akteneinsicht setzt gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG ein berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus. Ein solches liegt nach allgemeiner Ansicht schon dann vor, wenn der Antragsteller ein vernünftiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse glaubhaft macht, das auch tatsächlicher, etwa wirtschaftlicher Art sein kann und im allgemeinen dann vorliegen wird, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflußt werden kann.
2. Zur Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses sind die Tatsachen glaubhaft zu machen, die ein solches Interesse rechtfertigen. Es genügt die Erbringung eines solchen Grades an Wahrscheinlichkeit, wie er im gewöhnlichen Verkehr hinreicht, um Verständige die Wahrheit der versicherten Tatsache bis auf weiteres annehmen zu lassen.
Normenkette
FGG § § 34 Abs. 1 S. 1, § 15
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Beschluss vom 15.07.1996; Aktenzeichen 4 T 90/96) |
AG Bad Kissingen (Aktenzeichen VI 49/96) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 15. Juli 1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die der Beteiligten zu 3 gestattete Einsicht in die Nachlaßakten des Amtsgerichts Bad Kissingen VI 49/96 sich nicht auf die das Erbrecht der Beteiligten zu 1 und 2 betreffenden Urkunden erstreckt.
II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 2 500 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser ist am 16.1.1996 verstorben, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Aus seiner geschiedenen Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen, die Beteiligten zu 1 und 2. Auf ihren Antrag hat das Nachlaßgericht am 23.1.1996 einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt, wonach sie den Erblasser je zur Hälfte beerbt haben.
Die Beteiligte zu 3 hat am 13.6.1996 durch ihre Verfahrensbevollmächtigten um Akteneinsicht gebeten und dazu vorgetragen, sie mache gegen die Erben Ansprüche an den Nachlaß geltend. Daraufhin hat die Rechtspflegerin des Nachlaßgerichts beglaubigte Abschriften des Erbscheins sowie der im Erbscheinsverfahren aufgenommenen Niederschrift übersandt und mitgeteilt, Akteneinsicht könne „nach § 78 FGG” nicht gewährt werden, weil das berechtigte Interesse fehle. Die Beteiligte zu 3 hat dem mit Schriftsatz vom 26.6.1996 widersprochen und um Übersendung einer Abschrift des Nachlaßverzeichnisses gebeten. Sie hat vorgetragen, sie sei seit 1992 die Lebensgefährtin des Erblassers gewesen und habe ihm nicht unerhebliche Beträge in sechsstelliger Höhe vorübergehend zur Verfügung gestellt. Sie wolle ermitteln, was davon noch im Nachlaß vorhanden sei, und mache dem Nachlaß gegenüber Ansprüche geltend. Nachdem die Rechtspflegerin mit Schreiben vom 27.6.1996 die Gewährung von Akteneinsicht und die Übersendung des Nachlaßverzeichnisses abgelehnt hatte, hat die Beteiligte zu 3 gebeten, die Sache dem Richter vorzulegen. Der Nachlaßrichter hat mit Beschluß vom 3.7.1996 der Beteiligten zu 3 Akteneinsicht „nach § 34 FGG” bewilligt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Landgericht durch Beschluß vom 15.7.1996 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, der die Beteiligte zu 3 entgegentritt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das an keine Frist gebundene Rechtsmittel ist zulässig (vgl. BayObLGZ 1995, 1/2 f.). Es hat nur teilweise Erfolg.
2. Das Landgericht hat ausgeführt, das Nachlaßgericht habe zu Recht gemäß § 34 FGG nach seinem pflichtgemäßen Ermessen Akteneinsicht gestattet. Die Beteiligte zu 3 habe mit Schriftsatz vom 26.6.1996 ein durch die Sachlage gerechtfertigtes wirtschaftliches Interesse glaubhaft gemacht. Das Interesse der Beteiligten zu 1 und 2, die Zusammensetzung des Nachlasses und die Höhe des Nachlaßwerts geheimzuhalten, überwiege demgegenüber nicht. Da die Beteiligte zu 3 bereits Abschriften des Erbscheins sowie der Niederschrift der Nachlaßverhandlung besitze und die Akten im übrigen keine Vorgänge von Bedeutung enthielten, an deren Geheimhaltung die Beteiligten zu 1 und 2 ein Interesse haben könnten, erscheine es nicht fehlerhaft, daß das Nachlaßgericht Akteneinsicht im ganzen gewähre.
3. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.
a) Die Beschwerdeberechtigung (§ 20 FGG) der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Landgericht ohne Rechtsfehler bejaht. Sie ergibt sich aus dem Interesse an der Geheimhaltung des Akteninhalts, das sie als Erbinnen geltend machen (vgl. BayObLGZ 1995, 1/4).
b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß für die Gestattung der Einsicht in Nachlaßakten neben der Vorschrift des § 78 FGG auch die allgemeine Bestimmung des § 34 FGG anwendbar ist (vgl. BayObLGZ 1954, 310/313; Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 2; Keidel/Winkler FGG 13. Aufl. Rn. 3 und 8, Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. Rn. 2, jeweils zu § 78 FGG...