Leitsatz (amtlich)

1. Der angemessene Ausgleich und die angemessene Abfindung unterliegen in weitem Umfang richterlichem Schätzungsermessen. Nachdem es wissenschaftlich nicht möglich ist, mathematisch einen exakten Unternehmenswert zum Stichtag festzulegen, muss es hingenommen werden, dass eine Bandbreite von unterschiedlichen Werten als angemessene Abfindung oder angemessener Ausgleich besteht.

2. Für die Frage, welche Bewertungsgrundsätze in einem länger dauernden Spruchverfahren zugrunde zu legen sind, lassen sich Grundsätze des intertemporalen Rechts nutzbar machen. Ein Wechsel der Bewertungsgrundsätze während eines anhängigen Verfahrens lässt sich nur vertreten, wenn dadurch die Erledigung des Verfahrens nicht verzögert wird.

3. Zur Anwendung des CAPM in Altverfahren.

4. Es bestehen, keine rechtlichen Einwände, in den verschiedenen Phasen der Unternehmensbewertung unterschiedliche Basiszinssätze vorzusehen.

5. Als betriebsnotwendiges Vermögen sind diejenigen Vermögens- und Schuldposten anzusehen, die ein Unternehmen zur Erzielung finanzieller Überschüsse benötigt.

 

Normenkette

AktG § 304 a.F., § 305 a.F., § 306 a.F.

 

Gründe

I.1. Die Antragsteller sind Aktionäre der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1) (künftig Gesellschaft), die Glas (Bauglas und Fahrzeugglas) sowie Kunststoffe herstellt, verarbeitet und vertreibt. Deren Grundkapital betrug am 1.4.1989 135.520.000 DM. Hiervon hielt die Antragsgegnerin zu 2), eine GmbH, Anfang 1989 etwa 90 %. Die Antragsgegnerin zu 2) schloss mit der Antragsgegnerin zu 1) am 16.1.1989 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der nach der am 8.3.1989 erfolgten Zustimmung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1) am 10.3.1989 im Handelsregister eingetragen und am 13./17.3.1989 veröffentlicht wurde. In diesem Vertrag garantiert die Antragsgegnerin zu 2) den außenstehenden Aktionären der Gesellschaft für jede Stammaktie mit einem Nennwert von 50 DM einen jährlichen Ausgleich von 31,85 DM. Wahlweise bietet sie den Erwerb einer solchen Aktie für 577 DM an. Entsprechende Regelungen gelten für Stammaktien mit höherem Nennwert.

2. Die Antragsteller haben beim LG beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen. Mit Beschl. v. 17.2.2000 hat das LG die Antragsberechtigung der Antragsteller bejaht und die Abfindung auf 685 DM je Stammaktie im Nennwert von 50 DM festgesetzt. Den Antrag auf Festsetzung eines höheren angemessenen Ausgleichs hat das LG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Börsenkurs scheide als Maßstab für die Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich im vorliegenden Fall aus, da erst Ende 1988 der Kurs für Aktien der Antragsgegnerin zu 1) von durchschnittlich 320 DM auf etwa 520 DM angestiegen und damit deutlich niedriger als das Abfindungsangebot von 577 DM gewesen sei. Bei der Ermittlung des Unternehmenswerts der Gesellschaft wende die Kammer entsprechend der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung die Ertragswertmethode an.

Die Bewertungsmethoden DCF/CAPM würden u.a. deshalb nicht verwendet, weil sie noch keinen Eingang in die zum Stichtag geltenden offiziellen Stellungnahmen zur Unternehmensbewertung (HFA 2/1983) gefunden hätten. Die Kammer folge in weiten Bereichen den Ausführungen des Sachverständigen des Gerichts. So sei nicht zu beanstanden, dass dieser zwar die Planungen der Gesellschaft zugrunde gelegt, diese aber hinsichtlich zu optimistischer Annahmen zu Preissteigerungen korrigiert habe, da nur dann voraussichtlich ein Halten der Umsätze möglich gewesen wäre. Eine weitere Korrektur sei insoweit jedoch nicht veranlasst, da zum Stichtag der von den Antragsgegnerinnen vorgetragene Preisverfall noch nicht erkennbar gewesen sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Gutachter die von der Gesellschaft geplanten Materialkostensteigerungen in seine Berechnung übernommen habe. Die Kammer folge dem Gutachter auch insoweit, als er ein Einsparungsprogramm der Gesellschaft bezüglich Personalkosten nur in einem Teilumfang von 14,1 Mio. DM berücksichtigt und einen Zinssatz von 6 % für verzinsliche Vermögensgegenstände und von 9 % für Schulden angenommen habe. Gleiches gelte von der im Gutachten angenommenen Reinvestitionsrate. Die Kammer teile ferner die Auffassung des Sachverständigen, dass bei den Sondervermögenswerten und den nicht betriebsnotwendigen Vermögensbestandteilen die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner nicht zu berücksichtigen seien, ebenso die Annahme eines Sondervermögenswertes bedingt durch latente Körperschaftsteuerminderungsansprüche.

Zu vier Komplexen weiche die Kammer vom Gutachten ab. So sehe sie anders als der Sachverständige einzelne Beteiligungen der Gesellschaft als betriebsnotwendig an, da sie der Entwicklung und dem Absatz der Produkte dienten. Damit entfalle ein Betrag von 5,3 Mio. DM bei dem Wert der nicht betriebsnotwendigen Beteiligungen; zugleich setze die Kammer deswegen jedoch einen zusätzlichen jährlichen Ertrag von 300.000 DM an. Bei de...

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