Entscheidungsstichwort (Thema)

Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Widerspruch im Sinn von § 2258 Abs. 1 BGB besteht auch dann, wenn der in einem gemeinschaftlichen Testament eingesetzte Schlußerbe in einem späteren Testament nur als Vermächtnisnehmer bedacht wird.

2. Für das Verhältnis der Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Alleinerben gegenüber der Einsetzung des Schlußerben gibt es keine Regel, die Schlüsse auf eine bestimmte übereinstimmende Willenslage beider Ehegatten zuließe. Es gibt auch keine allgemeine Lebenserfahrung, daß jeder der sich gegenseitig bedenkenden Ehegatten den Schlußerben nur deshalb bedenken will, weil auch der andere dies tut.

 

Normenkette

BGB § 2258 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Beschluss vom 06.07.1992; Aktenzeichen 30 T 862/92)

AG Landshut (Aktenzeichen VI 215/92)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 6. Juli 1992 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die 1992 im Alter von 87 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Ihr Ehemann ist im Jahr 1974 vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ein Neffe der Erblasserin, die Beteiligte zu 3 ist ihre Nichte. Der mit den Ehegatten nicht verwandte Beteiligte zu 2 ist Apotheker; er führt die zum Nachlaß gehörende Apotheke.

Die Ehegatten hatten sich in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament vom 17.6.1949 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und außerdem bestimmt:

„Das Überlebende von uns beiden soll sowohl über sein eigenes Vermögen als auch über das Ererbte frei verfügen können.”

In einem gemeinschaftlichen Testament vom 10.10.1969, von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und von beiden Ehegatten unterzeichnet, bestimmten die Ehegatten neben verschiedenen Vermächtnisregelungen, daß das notarielle Testament vom 17.6.1949 „weiterhin bestehen bleiben und gelten” solle. Daran anschließend heißt es:

„Für den zweiten Sterbefall bestimmen wir nunmehr weiter, daß Alleinerbe des Letztversterbenden von uns beiden sein soll: E. …(Beteiligter zu 2), stud.pharm., geb. 1946…. Durch diese Bestimmung soll keine Vor- und Nacherbfolge angeordnet sein. Sollten wir gleichzeitig versterben, so soll ebenfalls Herr E. … unser alleiniger Erbe sein.”

Am 29.8.1990 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie zunächst alle etwa vorhandenen früheren Verfügungen von Todes wegen vorsorglich widerrief und erklärte, weder durch ein früheres gemeinschaftliches Testament noch durch einen Erbvertrag mit einer dritten Person in der Verfügung über ihren Nachlaß gebunden zu sein. Zu ihren Erben setzte sie je zu 1/2 die Beteiligten zu 1 und 3 ein. Außerdem ordnete sie Testamentsvollstreckung an und ernannte den Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker. Unter der Überschrift „Vermächtnisanordnung”, derzufolge unter anderem verschiedene Personen Schmuck, Bargeld und Einrichtungsgegenstände „vermächtnisweise” erhalten sollten, lautet der Buchstabe h wie folgt:

„Herr E. …(Beteiligter zu 2), Apotheker … die Apotheke mit Wohnungseinrichtung samt allen Aktiven und Passiven, drei Delfter Vasen im Haus in ….

  • die Brücken in dem Apothekenwohnzimmer. Ferner hat Herr E. das Recht, über das Konto Nr. … bei der Sparkasse … zu verfügen; auf dieses Konto kommt noch die rückständige Pacht. Von diesem Konto sind noch zu zahlen die Miete im voraus für das Haus der Apotheke und das Wohnhaus in ….,
  • die restlichen Steuern,
  • die Beerdigungskosten,
  • die für die übrigen Vermächtnisnehmer bestimmten Geldbeträge.

Das nach Abzug dieser vorangegangenen Zahlungen auf dem Konto Nr. … verbleibende Geldvermögen erhalten vermächtnisweise Herr E. … und M. … (Beteiligte zu 1 und 2), je zur Hälfte…. Für die Grabpflege selbst ist Herr E. (Beteiligter zu 2) verantwortlich.”

Eine handschriftliche, von der Erblasserin eigenhändig geschriebene und von ihr sowie dem Beteiligten zu 2 unterzeichnete Erklärung vom 16.7.1990, die als „Zuwendungsverzicht gemäß § 2352 BGB” überschrieben ist, lautet wie folgt:

Mit Testament vom 10.Oktober 1969 wurde ich von den Ehegatten … zum Erben des Letztversterbenden eingesetzt. Ich bin damit einverstanden, daß Frau … (Erblasserin) diese Schlußerbeneinsetzung abändert. Ich werde ein derartiges Abänderungstestament von Frau … nicht anfechten.

Der Beteiligte zu 1 hat ein Testamentsvollstreckerzeugnis sowie einen Erbschein beantragt, demzufolge die Erblasserin aufgrund des notariellen Testaments vom 29.8.1990 von ihm und der Beteiligten zu 3 als Miterben je zu 1/2 beerbt worden sei. Er ist der Ansicht, die Schlußerbeneinsetzung des Beteiligten zu 2 im gemeinschaftlichen Testament vom 10.10.1969 sei nicht als wechselbezüglich anzusehen.

Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 29.1.1992 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das gemeinschaftliche Testament vom 10.10.1969 habe das notarielle Testament vom 17.6.1949 insoweit ersetzt, daß anstel...

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