Leitsatz (amtlich)

Legt allein der Betroffene gegen die Bestellung eines Betreuers Beschwerde ein, so ist das Landgericht als Beschwerdegericht nicht befugt, den Aufgabenkreis des Betreuers zu erweitern.

 

Normenkette

BGB § 1896; FGG §§ 25, 69 Abs. 1 Nr. 2b, § 69i Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 13.11.1995; Aktenzeichen 4 T 584/95)

AG Lindau (Bodensee) (Beschluss vom 12.12.1994; Aktenzeichen XVII 65/94)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 13. November 1995 wird dahin abgeändert, daß die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluß des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) vom 12. Dezember 1994 – ohne Maßgabe – zurückgewiesen wird.

II. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 12.12.1994 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Sorge „für das festgestellte Vermögen nach dem Tod der Mutter (Erbschaft)”.

Die von der Betroffenen hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 13.11.1995 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Aufgabenkreise des Betreuers sich auf die Vermögenssorge insgesamt und die Regelung von Wohnungsangelegenheiten erstrecken.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Betroffene mit der am 23.12.1995 beim Landgericht eingegangenen weiteren Beschwerde.

Mit Beschluß vom 4.1.1996 hat das Amtsgericht den bisherigen Betreuer entlassen und an seiner Stelle einen neuen Betreuer bestellt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Soweit sie sich auf die vom Landgericht bestätigte ursprüngliche Auswahl des Betreuers bezieht, ist die angefochtene Entscheidung aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 4.1.1996 verfahrensrechtlich überholt und die weitere Beschwerde gegenstandslos geworden.

Die gegen die Betreuerbestellung als solche gerichtete weitere Beschwerde hat Erfolg, soweit das Landgericht den Aufgabenkreis des Betreuers (auf die Vermögens sorge insgesamt und auf Wohnungsangelegenheiten) erweitert hat. Im übrigen ist sie unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Betroffene bedürfe für die Vermögenssorge und für die Regelung der Wohnungsangelegenheiten einer Betreuung. Bei der Betroffenen liege eine deutliche Minderbegabung vor, die Minderleistungen in der Intelligenz, im Abstraktionsvermögen, in der Gedächtnisleistung sowie in der Urteils- und Kritikfähigkeit zur Folge habe. Die Betroffene sei deshalb nicht in der Lage, in den genannten Bereichen in freier Willensbestimmung ihre Entschlüsse von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen und danach ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Sie sei insoweit partiell geschäftsunfähig. Über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse habe sie keinerlei Überblick. Der Umgang mit Geld bereite ihr Probleme. Zur Geltendmachung der Forderungen aus ihrer Erbschaft, die im wesentlichen ihr Vermögen ausmachten, sei sie nicht imstande. Die Erstreckung der Betreuung auf die Regelung der Wohnungsangelegenheiten sei erforderlich, weil die Betroffene sich schon über einen längeren Zeitraum ohne festen Wohnsitz im Raum Lindau aufhalte und lediglich über eine postalische Anschrift bei Bekannten verfüge. Der Erweiterung der Aufgabenkreise des Betreuers stehe das Verschlechterungsverbot nicht entgegen, da sie zum Wohle der Betroffenen erforderlich sei. Sie halte sich auch im Rahmen des Verfahrensgegenstandes.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nur zum Teil stand.

a) Die vom Landgericht vorgenommene Erweiterung der Aufgabenkreise des Betreuers kann keinen Bestand haben, weil diese Frage nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war und dem Landgericht als Beschwerdegericht deshalb die Befugnis fehlte, hierüber zu entscheiden.

(1) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann – in den Grenzen der Beschwerde – grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist. Das ergibt sich schon aus dem Wesen des Rechtsmittelverfahrens, das notwendigerweise keine andere Angelegenheit betreffen darf als diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen ist (BGH NJW 1980, 891; BayObLGZ 59, 182/186 f.; 1963, 105/106; 1970, 94/99; Jansen FGG 2. Aufl. § 23 Rn. 4; Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 25 Rn. 3; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 23 FGG Rn. 7). Hier hat das Amtsgericht in der von der Betroffenen angefochtenen Entscheidung als Aufgabenkreis lediglich die Sorge für das Vermögen bestimmt, das zum Nachlaß der Mutter der Betroffenen gehört. Mit dieser nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 b FGG vorgeschriebenen Bezeichnung des Aufgabenkreises ist Inhalt und Umfang der Betreuung und damit zugleich der Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung über die Betreuerbestellung festgelegt. Die Frage einer Erweiterung des Aufgabenkreises ist verfahrensrechtlich gesondert geregelt (vgl. § 69i Abs. 1 FGG). Falls, wie hier, allein der Betroffene gegen die Bestellung eines Betreuers Beschwerde e...

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