Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 12.07.1999; Aktenzeichen 4 T 4788/99) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. Juli 1999 wird aufgehoben und der Notar angewiesen, der Beteiligten zu 1 eine vollstreckbare Ausfertigung zur Kaufvertragsurkunde vom 4. Dezember 1994 zu erteilen.
II. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf DM 550.000 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit notarieller Urkunde vom 4.2.1994 verkaufte die Beteiligte zu 1 an die Beteiligten zu 2, 3 und 4 ein Grundstück zum Kaufpreis von 550.000 DM. Die Käufer unterwarfen sich wegen des Kaufpreises der sofortigen Zwangsvollstreckung. In der Urkunde ist festgehalten, daß dem Verkäufer jederzeit ohne Nachweise eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen ist.
Mit Bescheid vom 31.5.1999 lehnte der Notar die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des notariellen Kaufvertrages ab. Er berief sich auf ein Schreiben des Prokuristen der Beteiligten zu 1 vom 21.4.1994 an ihn. Dieses lautet:
„hiermit bestätigen wir den vollen Kaufpreis für das Objekt … erhalten zu haben.”
Gegen die ablehnende Entscheidung des Notars legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein: Der Beteiligte zu 3, der frühere Mitgesellschafter der Beteiligten zu 1, habe gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 am 16.4.1999 bestätigt, daß der Kaufpreis zu keinem Teil geflossen sei, daß er aber 250.000 DM gegenüber dem Kaufpreis habe verrechnen können.
Mit Beschluß vom 12.7.1999 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige (§§ 27, 29 FGG, § 54 BeurkG) Rechtsmittel ist begründet. Der Beteiligten zu 1 ist eine vollstreckbare Ausfertigung des Kaufvertrags zu erteilen.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Prüfungspflicht des Notars beschränke sich bei der Entscheidung über Anträge auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel auf das Vorliegen der formellen Voraussetzungen. Eine Ausnahme gelte nur, wenn zweifelsfrei feststehe, daß der titulierte Anspruch nicht bestehe. Das sei hier der Fall. Der Prokurist der Beteiligten zu 1 habe nach Abschluß des Kaufvertrages durch Schreiben vom 21.4.1994 den vollen Kaufpreis quittiert. Es sei rechtlich ohne Bedeutung, ob der Kaufpreis, wie im Vertrag vorgesehen, auf das Konto der Beteiligten zu 1 bei der Raiffeisenbank überwiesen oder in anderer Weise geleistet worden sei. Dem Kaufvertrag könne nicht entnommen werden, daß jede anderweitige Tilgung ausgeschlossen sein sollte. Denkbar sei ein teilweises oder vollständiges Erlöschen des Kaufpreisanspruches infolge Aufrechnung. Durch die Quittung vom 21.4.1994 sei jedenfalls das vollständige Erlöschen der Kaufpreisforderung urkundlich bewiesen. Für den Notar habe damit das Nichtbestehen der Kaufpreisforderung zweifelsfrei festgestanden. Hierauf habe der Notar vertrauen können und müssen. Dies schließe zwar nicht aus, daß die Quittung möglicherweise inhaltlich unrichtig sei. Dieser Streitpunkt könne jedoch nicht in einem Verfahren nach § 54 BeurkG entschieden werden.
2. Der Senat vermag den Erwägungen des Landgerichts aus Rechtsgründen nicht zu folgen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß sich die Prüfungspflicht des Notars bei der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel auf das Vorliegen der formellen Voraussetzungen beschränkt und sich nicht auf rechts vernichtende, aus der Urkunde nicht ersichtliche Umstände erstreckt. Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, daß von diesem Grundsatz Ausnahmen nur zu machen sind, wenn zweifelsfrei feststeht, daß der titulierte Anspruch nicht besteht. Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben.
b) Der Notar kann die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ausnahmsweise ablehnen, wenn durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen oder sonst für ihn offenkundig ist, daß der materielle Anspruch nicht (mehr) besteht (BayObLG MittBayNot 1995, 484/485; OLG Frankfurt MittRhNotK 1997, 269 jeweils m.w.N.) Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn der vom Schuldner zu zahlende Betrag laut notariellem Vertrag an den beurkundenden Notar zu zahlen war und sich aus dessen Unterlagen ergibt, daß er bezahlt worden ist oder wenn der Gläubiger im Klauselerteilungsverfahren selbst zugesteht, daß er wegen des titulierten Anspruchs befriedigt ist (BayObLGZ DNotI-Report 1998, 19; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 21. Aufl. § 797 Rn. 11; MünchKomm/Wolfsteiner ZPO § 724 Rn. 40). Erklärt der Gläubiger im Klauselerteilungsverfahren dem Notar, daß der Schuldner die vollstreckbare Forderung bereits getilgt hat, so liegt klar auf der Hand, daß der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel mißbräuchlich ist und die vollstreckbare Ausfertigung zu rechtswidrigen Zwecken verwendet werden kann, so daß dem Staat auch von Verfassungs wegen die Mitwirkung bei solchen Handlungen verboten ist (MünchKomm/Wolfsteiner a.a.O. unter Hinweis auf BVerfGE 46, 3...