Leitsatz (amtlich)

Eine nur vom Vorsitzenden der Vergabekammer unterschriebene Urschrift genügt dem Erfordernis einer von allen drei Mitgliedern schriftlich zu treffenden Entscheidung „der Vergabekammer” nicht.

 

Normenkette

GWB § 114

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Aktenzeichen 120.3-3194.1-27-12/00)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Vergabestelle wird der Beschluß der Vergabekammer Südbayern vom 19. Januar 2001 klarstellend aufgehoben.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens erster Instanz und die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen werden nicht erstattet.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 55.252 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Vergabestelle ist eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts; sie wird gemäß ihrer Satzung von den Organen der Stadt N. verwaltet und vertreten.

Die Vergabestelle betreibt das Bauvorhaben „Neubau und Erweiterung des Stiftungskrankenhauses N. BA 5”. Das Bauvorhaben, unterteilt in sechs Lose, wurde am 12.9.2000 im Supplement zum Amtsblatt der EU als offenes Verfahren EU-weit ausgeschrieben.

Für das Los VE-420 Raumlufttechnik gaben mehrere Bieter, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, Angebote ab. Nach rechnerischer Prüfung der Angebote durch die Vergabestelle lag das Angebot der Antragstellerin an erster Stelle. Weil der Stadtrat der Stadt N. insbesondere aber die Eignung der Antragstellerin zur Durchführung des Auftrags bezweifelte, beschloß er, die Antragstellerin aus der Wertung auszuschließen und das Gewerk an die Beigeladene zu vergeben. Der Oberbürgermeister teilte der Antragstellerin am 15.12.2000 mit, daß der Auftrag nicht an sie erteilt werde.

Mit Schreiben vom 15.12.2000 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Zuletzt hat sie bei der Vergabekammer den Antrag gestellt festzustellen, daß der Ausschluß ihres Angebotes von der Wertung rechtswidrig sei.

Die Vergabekammer Südbayern hat mit Beschluß vom 19.1.2001, der lediglich von dem Vorsitzenden, nicht aber von den beiden Beisitzenden der Kammer unterschrieben ist, entschieden:

  1. Der Ausschluß des Angebots wegen mangelnder Zuverlässigkeit und Überschreiten der Frist zum Nachreichen von Unterlagen verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.
  2. Das Vergabeverfahren ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer weiterzuführen.
  3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, 14 Kalendertage vor dem Vertragsabschluß über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihrer Angebote zu unterrichten.

Gegen diesen Beschluß hat die Vergabestelle am 7.2.2001 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat zunächst beantragt,

  1. Der Beschluß der Regierung von Oberbayern vom 19.1.2001 wird aufgehoben.
  2. Der Nachprüfungsantrag der Beschwerdegegnerin in der Fassung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15.1.2001 vor der Vergabekammer Südbayern wird als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen.
  3. Es wird festgestellt, daß sich das Nachprüfungsverfahren gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 123 Satz 4 GWB erledigt hat und daß die Beschwerdegegnerin nicht in ihren Rechten verletzt worden ist.

Zuletzt hat sie die Feststellung beantragt, daß der Beschluß der Vergabekammer vom 19.1.2001 nichtig sei. Die zunächst gestellten Anträge hat sie als Hilfsanträge aufrechterhalten.

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Vergabestelle ist beim zuständigen Gericht frist- und formgerecht eingelegt.

2. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.

a) Der Senat teilt die Auffassungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf (Beschluß vom 22.1.2001 – Verg 24/00) und Thüringen (Beschluß vom 28.2.2001 – 6 Verg 8/00), daß eine wie hier nur vom Vorsitzenden der Vergabekammer unterschriebene Urschrift dem Erfordernis einer von allen drei Mitgliedern schriftlich zu treffenden Entscheidung „der Vergabekammer” nicht genügt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insbesondere auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf Bezug genommen. Ob es der Unterschrift aller drei Entscheidungsträger bedarf (so OLG Düsseldorf) oder ob die Unterschrift des Vorsitzenden und des hauptamtlichen Beisitzers ausreicht (so OLG Thüringen), bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Urschrift lediglich die Unterschrift des Vorsitzenden trägt.

b) Wie das OLG Düsseldorf (aaO) im einzelnen ausgeführt hat, ist die sofortige Beschwerde gegen die unwirksame Entscheidung der Vergabekammer nicht unzulässig. Es ist zwar das rechtliche Ziel der Beschwerde durch die gesetzliche Fiktion einer Ablehnung des Nachprüfungsantrags gemäß § 116 Abs. 2 GWB tatsächlich bereits erreicht. Die Vergabekammer hat aber den Beteiligten die Abschrift eines Beschlusses zugestellt, mit dem sie die Vergabestelle angewiesen hat, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer weiterzufü...

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