Leitsatz (amtlich)
Will das Beschwerdegericht aufgrund eigener Feststellungen das Gutachten des Sachverständigen in der Frage der Möglichkeit freier Willensbildung und -betätigung ergänzen oder korrigieren, setzt dies einen persönlichen Eindruck der Richter von dem Betroffenen voraus. Die Anhörung des Betroffenen kann in diesem Fall nicht dem beauftragten Richter übertragen werden.
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 26.03.2004; Aktenzeichen 5 T 4371/03) |
AG Nördlingen (Beschluss vom 01.07.2003; Aktenzeichen XVII 141/03) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde betreffend den Einwilligungsvorbehalt gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 26.3.2004 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Nördlingen, Zweigstelle Donauwörth, vom 1.7.2003 verworfen wird.
II. Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Augsburg vom 26.3.2004, soweit er die Bestellung eines Betreuers betrifft, aufgehoben.
III. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Augsburg zurückverwiesen.
Gründe
I. Das AG bestellte am 1.7.2003 auf die Dauer eines Jahres für die nach einem Schlaganfall seit 1991 körperlich und psychisch beeinträchtigte Betroffene einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge und Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Zugleich ordnete es einen Einwilligungsvorbehalt im Bereich Vermögenssorge an. Gegen die der Betroffenen am 4.7.2003 zugestellte Entscheidung legte diese durch einen Rechtsanwalt, bei Gericht eingegangen am 30.7.2003, (sofortige) Beschwerde ein, die das LG am 26.3.2004 zurückgewiesen hat. Gegen diese der Betroffenen am 1.4.2004 und ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 2.4.2004 zugestellte Entscheidung richtet sich deren am 15.4.2004 eingegangene (sofortige) weitere Beschwerde.
II.1. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Soweit es den Einwilligungsvorbehalt betrifft und als sofortige weitere Beschwerde anzusehen ist (§ 69g Abs. 4 Nr. 1, § 29 Abs. 2 FGG), ist die Einlegungsfrist gewahrt (§ 22 Abs. 1, § 16 Abs. 2 S. 1, § 29 Abs. 4 FGG). Insoweit ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet. Das LG hat die sofortige Beschwerde zu Recht als unzulässig angesehen, weil die Einlegungsfrist von zwei Wochen (s. oben), beginnend mit der Zustellung der amtsgerichtlichen Entscheidung am 4.7.2003, am 30.7.2003 bereits abgelaufen war. Die Entscheidung des LG hat daher mit der Maßgabe der Richtigstellung des Tenors in diesem Umfang Bestand.
2. Die der einfachen weiteren Beschwerde unterliegende Entscheidung des LG betreffend die Bestellung eines Betreuers hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, § 546 ZPO).
a) Die Entscheidung ist nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Der Betroffenen ist nicht in dem gebotenen Umfang rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt worden. Sie hatte keine Gelegenheit, zu den in dem Schreiben des Betreuers vom 30.1.2004 und dem Schreiben der Betreuungsstelle vom 4.2.2004 enthaltenen neuen Tatsachen Stellung zu nehmen, da die Zuleitungsverfügung des Richters vom 10.2.2004 offenbar nicht ausgeführt worden ist. Es ist nicht auszuschließen, das das LG unter Beachtung der hierzu nunmehr vorgetragenen Einwände (vgl. das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen v. 18.5.2004) zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
b) Auch die Feststellungen zur Frage, ob die Betroffenen ihren Willen in den der Betreuung unterliegenden Bereichen frei bilden kann, sind nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden.
aa) Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLG v. 25.7.1994 - 3Z BR 97/94, BayObLGZ 1994, 209 [211] = BayObLGReport 1994, 76; FamRZ 2000, 189). Nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist; dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLG v. 25.7.1994 - 3Z BR 97/94, BayObLGZ 1994, 209 [212] = BayObLGReport 1994, 76).
bb) Das LG stützt die Annahme dieser Voraussetzungen auf das fachärztliche Gutachten vom 26.5.2003 und dessen Ergänzung vom 25.10.2003. Das Gutachten führt aus, die Betroffene sei nur eingeschränkt in der Lage, ihren Willen frei zu bestimmen; sie sei nur eingeschränkt geschäftsfähig. Die Ergänzung enthält keine nähere Erläuterung hierzu. Das LG durfte demnach ohne zusätzliche Erkenntnisse hieraus nicht den Ausschluss der freien Willensbestimmung ableiten. Es hätte vielmehr ermitteln müssen, welches Ausmaß die genannten Einschränkungen haben, um danach die Erforderlichkeit einer ...