Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenschuldner im Vormundschaftsverfahren. Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund unrichtiger Darstellungen Dritter
Leitsatz (amtlich)
1. Als Interessenschuldner i.S. des § 2 Nr. 2 KostO kommt nur derjenige in Betracht, dem die gerichtliche Maßnahme zugerechnet werden kann.
2. Eltern sind nicht Interessenschuldner, wenn in einem wegen Gefährdung des Kindeswohls eingeleiteten vormundschaftsgerichtlichen Verfahren die Erholung eines Sachverständigengutachtens durch unrichtige Darstellungen Dritter ausgelöst wurde.
Normenkette
KostO § 2 Nr. 2; BGB § 1666
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 10.11.1997; Aktenzeichen 13 T 6474/97) |
AG Nürnberg (Beschluss vom 18.12.1996; Aktenzeichen X 137/96) |
Tenor
Die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. November 1997 und des Amtsgerichts Nürnberg vom 18. Dezember 1996 sowie die Kostenrechnung des Amtsgerichts Nürnberg vom 6./22. August 1996 – KSB 626963012704 – werden aufgehoben.
Tatbestand
I.
1. Mit Schreiben vom 26.2.1996 teilte eine Anstalt der Inneren Mission dem Vormundschaftsgericht mit, daß dort tätige Mitarbeiter – u.a. eine Diplom-Psychologin – eine „ausreichend erscheinende Sicherheit” gewonnen hätten, das dort tagsüber betreute 12-jährige Kind K. sei in seiner Familie körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt ausgesetzt, die es in seiner Entwicklung nachhaltig beeinträchtige und schädige. Es bestehe der Verdacht, daß der Vater seine Tochter sexuell mißbrauche. In einem Gespräch mit dem eingeschalteten Jugendamt wiesen die Eltern die Anschuldigungen zurück. Sie seien damit einverstanden, daß das Kind im Rahmen der Ermittlungen und zur Erstellung eines Gutachtens auf die Dauer von vier Wochen stationär in der Anstalt untergebracht werde.
Am 19.3.1996 erließ das Vormundschaftsgericht Beschluß, wonach durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben sei über die Frage, ob das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, evtl. sexuellen Mißbrauch oder evtl. Mißhandlung gefährdet sei.
Am 2.4.1996 teilte die Sachverständige Diplom-Psychologin S. dem Vormundschaftsgericht telefonisch mit, sie habe bisher noch kaum einen Fall gesehen, in dem fehlerhafte psychologische Aufklärungsarbeit geleistet worden sei. Es seien keinerlei Anhaltspunkte vorhanden für einen sexuellen Mißbrauch oder für erhebliche körperliche Züchtigungen. K. sei als Zeugin nicht aussagetüchtig. Das unter dem 10.4.1996 erstattete schriftliche Gutachten kam zu dem Ergebnis, daß bei einer Gesamtschau der erhobenen Befunde eine Gefährdung des Kindes bei den Eltern nicht gesehen werden könne.
Das Amtsgericht erklärte daraufhin dem Jugendamt, daß vormundschaftsgerichtlich derzeit nichts veranlaßt sei. Das Kind kehrte in seine häusliche Umgebung zurück.
2. Mit Kostenrechnung vom 6./22.8.1996 forderte die Kostenbeamtin des Amtsgerichts vom Vater des Kindes die verauslagte Sachverständigenentschädigung in Höhe von 3 525,03 DM ein mit dem Vermerk, daß die Mutter des Kindes gesamtschuldnerisch mithafte. Die Erinnerungen der Eltern hiergegen wies der Vormundschaftsrichter mit Beschluß vom 18.12.1996 zurück, da die beteiligten Eltern zu Recht als Interessenschuldner i.S. des § 2 Nr. 2 KostO in Anspruch genommen würden. Das Gericht sei mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht (JurBüro 1995, 599) der Auffassung, daß im Verfahren nach § 1666 BGB als „wahrgenommenes Interesse” auch das Elternrecht (Art. 6 GG) anzusehen sei, da mit der gerichtlichen Entscheidung zugleich die Frage beantwortet werden müsse, ob und inwieweit das Elternrecht einzuschränken sei.
Mit ihrer Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluß beantragten die beteiligten Eltern die Aufhebung der Kostenrechnung. Das Vormundschaftsgericht habe nicht im Interesse der Eltern gehandelt; allein die Anstalt bzw. das Jugendamt habe durch die falsche Befragung des Kindes und fehlerhafte Auswertung der gegebenen Antworten für das vormundschaftsgerichtliche Verfahren Anlaß gegeben.
Das Landgericht hat die Beschwerden der Eltern mit Beschluß vom 10.11.1997 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Betrag der Kostenrechnung auf 3 249,03 DM herabgesetzt wird; die weitere Beschwerde hat es zugelassen.
3. Gegen die Entscheidung des Landgerichts wenden sich die Beteiligten mit der weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die zulässigen weiteren Beschwerden der beteiligten Eltern (§ 14 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 KostO) sind sachlich begründet.
Die beteiligten Eltern wurden von der Staatskasse zu Unrecht auf Zahlung der Sachverständigenentschädigung (Auslagen nach § 137 Nr. 6 KostO) in Anspruch genommen.
Gemäß § 2 Nr. 2 KostO ist bei Geschäften, die von Amts wegen vorgenommen werden, derjenige zur Zahlung der Kosten verpflichtet, dessen Interesse wahrgenommen wird. Diese Vorschrift kommt hier in Betracht, weil das Vormundschaftsgericht im Verfahren nach § 1666 BGB von Amts wegen eingreift (Palandt/Diederichsen BGB 57.Aufl. § 1666 Rn. 2...