Leitsatz (amtlich)
Ein Vollmachtsbetreuer kann bestellt werden, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, den Bevollmächtigten selbst zu überwachen und Umfang und Schwierigkeit der von dem Bevollmächtigten zu besorgenden Geschäfte eine Überwachung erfordern.
Normenkette
BGB § 896 Abs. 3
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 16.11.1998; Aktenzeichen 2 T 4933/98) |
AG Garmisch-Partenkirchen (Aktenzeichen XVII 94/97) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 16. November 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten sind Töchter der Betroffenen, die am 1.7.1994 der Beteiligten zu 1 eine notarielle Generalvollmacht erteilt hat.
Am 5.3.1998 bestellte das Amtsgericht auf Anregung der Beteiligten zu 2 einen Steuerberater zum Betreuer der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis der „Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten”. Der Erinnerung der Beteiligten zu 1 hiergegen half das Amtsgericht nicht ab. Das Landgericht verwarf zunächst das Rechtsmittel als unzulässig. Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 11.8.1998 (Gz. 4Z BR 95/98) wies es das Rechtsmittel am 16.11.1998 als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 3 BGB für eine Vollmachtsüberwachungsbetreuung lägen vor. Die Betroffene habe wirksam eine notarielle Generalvollmacht erteilt, da nach den Angaben des beurkundenden Notars und in Anbetracht der Tatsache, daß die Betroffene bis März 1995 noch einen eigenen Hausstand geführt habe, keine Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit am 1.7.1994 vorlägen. Der Ende 1995 erklärte Widerruf der Vollmacht sei unwirksam, da aufgrund eines ärztlichen Attestes feststehe, daß die Betroffene damals wegen einer schweren cerebralen Durchblutungsstörung mit fortschreitendem hirnorganischen Psychosyndrom geschäftsunfähig gewesen sei. Wie ein im Beschwerdeverfahren erholtes Gutachten ergeben habe, sei die Betroffene deswegen auch derzeit nicht in der Lage, die Bevollmächtigte zu überwachen. Es bestehe Überwachungsbedarf, weil die Beteiligte zu 1 als Vertreterin nicht nur bloße Alltagsgeschäfte, sondern solche von gewissem Umfang und Schwierigkeit vorzunehmen habe. Die Betroffene sei Eigentümerin eines verpachteten Grundstücks mit Halle. Hier erforderten die Überwachung der monatlichen Pachteinkünfte von ca. 6.000 DM und die Instandsetzung des Objekts erheblichen Aufwand. Weiter gehöre der Betroffenen ein Schaustellerunternehmen, das noch heute in Betrieb sei. Der von der Beteiligten zu 1 eingesetzte Steuerberater habe keine Befugnisse, deren Handlungen als Vertreterin auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Das Landgericht hat ohne Verfahrensfehler festgestellt, daß eine wirksame Vollmacht vorliegt und die Betroffene krankheitsbedingt ihre Bevollmächtigte nicht überwachen kann. Dies greift die Beschwerdeführerin auch nicht an.
b) Weiterhin ist gemäß § 1896 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BGB Voraussetzung für die Anordnung einer Kontrollbetreuung, daß ein konkreter Überwachungsbedarf besteht, dem anderweitig nicht abgeholfen wird. Der Erforderlichkeitsgrundsatz gebietet, daß ein Betreuer nicht schon deshalb bestellt wird, weil die Betroffene ihre Bevollmächtigte nicht mehr hinreichend überwachen kann, sondern erst, wenn der Umfang oder die Schwierigkeit der zu besorgenden Geschäfte eine Überwachung angezeigt erscheinen lassen (vgl. BT-Drucks, 11/4528 S. 123; BayObLG FamRZ 1994, 1550; Palandt/Diederichsen BGB 58. Aufl. § 1896 Rn. 29; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1896 Rn. 145). Nicht zwingend ist, daß zugleich gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit der Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Solche Umstände können vielmehr für sich die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung oder der Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis selbst belegen (vgl. BT-Drucks, a.a.O.; Bienwald Rpfleger 1998, 231/233; a.A. Stolz FGPrax 1997, 221/223).
Diese Grundsätze hat das Landgericht ebenfalls zutreffend angewendet. Die Verwaltung des Vermögens der Betroffenen übertrifft in Umfang und Schwierigkeit deutlich Geschäfte des Alltags. Es geht zum einen um ein Grundstück mit beträchtlichen Pachteinnahmen. Daneben ist ein nicht unbedeutendes Schaustellerunternehmen zu erhalten und zu betreiben. Dieses wies in den vergangenen Jahren sehr schwankende Betriebsergebnisse auf und machte auch die Aufnahme von Krediten erforderlich.
Schließlich hat das Landgericht fehlerfrei festgestellt, daß die von der Bevollmächtigten selbst vorgenommene Beauftragung eines Steuerberaters die Erforderlichkeit ein...