Leitsatz (amtlich)
1. Erfüllungsort bei einem Bauspardarlehen, wenn die Darlehensnehmer zwischen Unterzeichnung des Darlehensvertrages und Darlehensauszahlung den Wohnort gewechselt haben.
2. Rechtsschutzbedürfnis für einen Bestimmungsantrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wenn zwar unterschiedliche Rechtsmeinungen zur Bestimmung des Erfüllungsortes bestehen, die im konkreten Fall auch zu unterschiedlichen Erfüllungsorten führen würden, das angegangene Gericht aber eine Meinung vertritt, nach der es als Gerichtsstand des Erfüllungsortes für alle Streitgenossen zuständig ist.
Normenkette
ZPO § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 269 Abs. 1, § 607 a.F.
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 05.06.2003; Aktenzeichen 163 C 11865/03) |
Tenor
I. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Bestimmungsverfahrens.
III. Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird auf 400 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beklagten haben, als sie noch in Stuttgart wohnten, mit der Klägerin am 29.10.1997 einen Bauspardarlehensvertrag geschlossen. Das Darlehen wurde am 1.12.1997 ausbezahlt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hatten die Beklagten zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz bereits nach München verlegt. Die Klägerin hat die Beklagten – zunächst im Mahnverfahren – auf Rückzahlung eines Darlehensrestbetrages von 1.595,07Euro in Anspruch genommen. Der Mahnbescheid vom 10.12.2002, in dem als Streitgericht das AG München benannt war, musste der Beklagten an einer neuen Adresse in Esslingen zugestellt werden, wohin sie im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe verzogen war. Beide Beklagte legten Widerspruch ein; die Beklagte nahm ihren Widerspruch mit Schreiben vom 27.1.2003 wieder zurück. Das Mahngericht erließ am 25.2.2003 einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte, der dieser am 19.3.2003 unter der alten Münchener Anschrift – durch Einlegen in den Briefkasten – zugestellt wurde. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 20.3.2003 für die Beklagte Einspruch eingelegt.
Das AG München wies in seinem Hinweisbeschluss vom 5.6.2003 darauf hin, dass es für das Verfahren gegen die Beklagte „gem. § 269 Abs. 1 BGB i.V.m. § 29 ZPO nur zuständig” sei, „wenn bei Entstehung des Schuldverhältnisses, also zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlung, die Beklagte ihren Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des AG München hatte”. Die Klägerin teilte daraufhin mit Anwaltsschriftsatz vom 12.6.2003 mit, „dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens in … München wohnhaft war, sodass das AG München zuständig ist”. Mit Anwaltsschriftsatz vom 24.6.2003 hat die Klägerin gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt, als gemeinsamen Gerichtsstand für den Rechtsstreit gegen beide Beklagte das AG München zu bestimmen. Sie meint „in Abweichung vom Beschluss des AG vom 5.6.2003”, dass es auch dann keinen gemeinsamen Gerichtsstand des Erfüllungsortes gäbe, wenn die Beklagten „bei Entstehung des Schuldverhältnisses, also zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlung” ihren Wohnsitz in München gehabt hätten. Zahlungsschulden seien grundsätzlich vom Sitz des Schuldners aus zu erfüllen; ändere der Schuldner seinen Wohnsitz nach der Entstehung des Schuldverhältnisses, so ändere sich auch der Erfüllungsort.
II.1. Zuständig für die Entscheidung über den Bestimmungsantrag ist nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO das BayObLG. Bei einem Bestimmungsantrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist das „zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht” das für die verschiedenen allgemeinen Gerichtsstände der Streitgenossen zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht; diese liegen in verschiedenen Bundesländern.
2. Für den gestellten Bestimmungsantrag besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (zum Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses vgl. BayObLGZ 1979, 292 [294]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Rz. 9; Patzina in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Rz. 16; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 36 Rz. 22; Wieczorek/Schütze/Hausmann, § 37 Rz. 8).
a) Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass es keinen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand für die Klage gibt. In Betracht kommt hier der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 629 Abs. 1 ZPO). Nach ganz h.M. – von der auch das AG München ausgeht – ist der gesetzliche Erfüllungsort bei einem Darlehen der Wohnsitz des Schuldners zum Zeitpunkt der „Entstehung des Schuldverhältnisses” (§ 269 Abs. 1 BGB; OLG Stuttgart WM 1993, 17; Zöller/Vollkommer, § 29 Rz. 25 „Darlehensvertrag”; Vollkommer, BB 1974, 1316 f.). Der Zeitpunkt der „Entstehung des Schuldverhältnisses” kann bei einem Darlehensvertrag jedoch unterschiedlich bestimmt werden, je nachdem, ob der Darlehensvertrag als Realvertrag oder als Konsensualvertrag verstanden wird (vgl. Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607 Rz. 12 ff.; Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., Vor § 607 Rz. 6 ff.; Erman/Werner, BGB, 10. Aufl., Vor § 607 Rz. 1; für den Bauspardarlehensvertrag vom 29.10.1997 sind nach Art. 299 § 5 S. 1 EGBGB §§ 607 ff. BGB a.F. maßgeben...