Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Verfahrensgang
LG Landshut (Aktenzeichen 74 S 1494/92) |
AG Freising (Aktenzeichen C 116/92) |
Tenor
1. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 3 BGB, weil er das Gebäude, in dem sich die vermietete Wohnung befindet, abreißen und durch einen Neubau ersetzen will, so ist es für die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich nicht erforderlich, daß im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die baurechtliche Genehmigung zur Errichtung des Neubaus vorliegt.
2. Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Vermieter in dem Kündigungsschreiben die bereits vorliegende baurechtliche Genehmigung zum Abbruch des Gebäudes nicht erwähnt hat.
Tatbestand
I.
Der Beklagte bewohnt mit seiner Familie seit Anfang 1986 aufgrund eines mit dem Kläger am 1.1.1986 abgeschlossenen Mietvertrages ein auf einem Grundstück des Klägers in der Stadt M. gelegenes altes Haus. Der Kläger beabsichtigt, dieses Haus abzureißen und auf dem Grundstück ein neues Haus mit insgesamt fünf Wohnungen zu errichten.
Mit Schreiben vom 2.4.1991 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 30.9.1991. Er stützte die Kündigung darauf, daß er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert sei und dadurch erhebliche Nachteile erleide. Das Haus sei einsturzgefährdet, Leib und Leben der Bewohner seien gefährdet. Durch das bestehende Mietverhältnis sei er daran gehindert, das Grundstück angemessen zu nutzen, da er keinen Neubau erstellen und zu einem angemessenen Entgelt vermieten könne. Der Mietzins für ein Einfamilienhaus belaufe sich in M. mindestens auf 1.500 DM monatlich, der vom Beklagten bezahlte Mietzins in Höhe von 450 DM monatlich stehe hierzu in keinem Verhältnis. Der Hausabbruch liege auch im allgemeinen Interesse, da neue Wohnungen entstünden, die den modernen Wohnansprüchen genügten. Der Beklagte widersprach der Kündigung. Er wohnt weiterhin in dem Haus.
Das zuständige Landratsamt hatte bereits am 6.3.1990 den Abbruch des alten Hauses genehmigt. Am 20.8.1990 hatte es einen Vorbescheid für das Neubauvorhaben erteilt. Dieser enthielt neben verschiedenen Auflagen den Hinweis, daß derzeit die abwassertechnische Erschließung nicht gegeben sei und das Vorhaben daher erst genehmigt werden könne, wenn das zuständige Wasserwirtschaftsamt einer Bebauung ausdrücklich zustimme. Am 4.2.1992 hat das Landratsamt den Neubau genehmigt.
Mit der Klage verlangt der Kläger die Räumung und Herausgabe des Hauses. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 8.2.1993 folgende Fragen zum Rechtsentscheid vorgelegt:
„Wird ein Mietverhältnis über Wohnraum wirksam durch eine Kündigung wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung im Wege des Abrisses des alten Gebäudes und Neuerstellung einer Wohnanlage beendet, wenn im Kündigungsschreiben die vorhandene Abrißgenehmigung nicht erwähnt wird und die erforderliche Baugenehmigung erst nach der Kündigung erteilt wird?”
Es hat ausgeführt, die Entscheidung hänge von der Beantwortung der vorgelegten Rechtsfragen ab. Die übrigen vom Beklagten gegen die Wirksamkeit der Kündigung vorgebrachten Einwände griffen nicht durch. Das Gericht wolle die Wirksamkeit der Kündigung bejahen. Das Landgericht hat den Parteien Gelegenheit gegeben, zu den Vorlagefragen Stellung zu nehmen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Vorlage, über die das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden hat (vgl. BayObLGZ 1991, 348/350), ist statthaft (§ 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO, vgl. BayObLGZ 1989, 319/321). Auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlaß eines Rechtsentscheids sind gegeben.
a) Die Vorlage betrifft zwei Teilaspekte der Kündigung gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 3 BGB zum Zweck der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung vermieteten Wohnraums (Verwertungskündigung) durch Abriß des alten Gebäudes und Errichtung eines neuen Gebäudes, nämlich
- die Frage, ob eine solche Kündigung schon deshalb unwirksam ist, weil im Kündigungsschreiben die vorhandene Abbruchgenehmigung nicht erwähnt ist, also den Umfang der Begründungspflicht des kündigenden Vermieters (§ 564 a Abs. 1 Satz 2, § 564 b Abs. 3 BGB), und
- die Frage, ob die Wirksamkeit einer solchen Kündigung voraussetzt, daß im Zeitpunkt der Kündigung bereits die Baugenehmigung für das Gebäude vorliegt, das nach dem Abriß des alten Gebäudes errichtet werden soll, also die materiellen Voraussetzungen der Kündigung (§ 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB).
Beide Rechtsfragen sind anhand von Vorschriften zu beantworten, deren Anwendungsbereich sich auf Mietverhältnisse über Wohnraum beschränkt, und betreffen den Bestand eines solchen Mietverhältnisses.
b) Die Fragen sind für die Entscheidung des Landgerichts erheblich.
aa) Bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit ist grundsätzlich von der im Vorlagebeschluß vertretenen Rechtsauffassung und der dort zugrunde gelegten Tatsachenfeststellung und – würdigun...