Leitsatz

Abtrennung wohngeldsäumiger Eigentümer von Versorgungsgütern ist zulässig

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG, § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG, § 139 BGB, § 273 BGB

 

Kommentar

Bei erheblichen Wohngeldrückständen kann die Gesamtheit der Wohnungseigentümer grundsätzlich den säumigen Eigentümer von der Belieferung mit Wasser und Heizenergie ausschließen.

1. Nach vorliegendem Sachverhalt kam ein Eigentümer seit 1975 seiner Pflicht nicht nach, das von ihm geschuldete Wohngeld zu bezahlen. In zahlreichen gerichtlichen Verfahren mussten gegen ihn Vollstreckungstitel erwirkt werden. Derzeit soll der rechtskräftig festgestellte Wohngeldrückstand nach Angaben des Schuldners DM 8.000,- betragen und nach Angaben der restlichen Eigentümer DM 60.000,-. Mit rechtskräftigem Versäumnisurteil wurde der säumige Eigentümer 1988 verurteilt, seine Wohnung zu veräußern. Im Hinblick auf die Belastung der Wohnung mit Zwangssicherungshypotheken in Höhe von ca. 1.000.000,- DM und einem Wohnrecht für seine Ehefrau erwies sich die Wohnung bislang jedoch als nicht verwertbar.

Daraufhin beschlossen Eigentümer, ihn ganz oder teilweise von der Belieferung mit Wasser, Heizenergie usw. auszuschließen und insoweit Zurückbehaltungsrechte gemäß § 273 BGB geltend zu machen.

2.  Die nach § 273 BGBerforderliche Gegenseitigkeit der Ansprüche für die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts ist hier auch nach Meinung des BayObLG gegeben, da die Gesamtheit der Wohnungseigentümer einzelnen Eigentümern die Belieferung mit Wasser und Heizenergie schuldet und Versorgungsunternehmen mangels eigenständiger Vertragsbeziehungen mit den einzelnen Eigentümern nicht deren Schuldner seien. § 273 BGB ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich aus dem Schuldverhältnis etwas anders ergäbe.

Bei § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG (Entziehungsvoraussetzung) handelt es sich im Übrigen nicht um eine abschließende Spezialregelung, wie dies auch vom OLG Celle ( OLG Celle, Entscheidung v. 9. 11. 1990, Az.: 4 W 211/90, NJW-RR 1991, 1118, vgl. auch Deckert, WE 1991, 206, 210) festgestellt wurde. Zu Recht werde dort darauf hingewiesen, dass ein Eigentümer nicht in der Lage sein dürfe, seine Wohnung unbegrenzt zeitlich zu nutzen, ohne Wohngeld zu zahlen, sofern es ihm nur gelinge, sein Eigentum in erheblich höherem Maße mit Grundpfandrechten zu belasten, als dies dem Verkehrswert des Objekts entspreche. Auch dürfe nicht übersehen werden, dass ein säumiger Eigentümer selbst Verwertungsmöglichkieten verhindern könnte, wenn er zunächst Eigentümergrundschulden bestellt und diese dann an Verwandte abgetreten oder diesen ein Wohnrecht eingeräumt habe. Es bestehe auch keine gesetzliche Grundlage, wonach die Gesamtheit der Eigentümer verpflichtet sei, zeitlich unbegrenzt einen Teil der Lebenshaltungskosten für einen anderen Eigentümer zu übernehmen. Gegebenenfalls bedürftige Eigentümer zu versorgen, sei vielmehr Sache der Sozialverwaltung (vgl. LG Aachen NJW-RR 1987, 443).

Der Meinung des OLG Hamm (NJW 1984, 2708) zum so genannten steckengebliebenen Bau analog und zur Rechtsprechung verneinter Veräußerungszustimmungsverweigerung bei noch offenen Wohngeldschulden eines Veräußerers (BayObLG, Rechtspfleger 1977, 173) könne hier nicht gefolgt werden, wenn auch richtig sei, dass ein Eigentümer durch das Absperren der Versorgungsanschlüsse an der Nutzung und Verwertung seines Eigentums weitgehend gehindert werde. Auch Versorgungsunternehmer könnten gegenüber ihren Einzelschuldnern Zurückbehaltungsrechte geltend machen.

Die Ausübung eines solchen Zurückbehaltungsrechts sei auch kein Verstoß gegen die Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum; hier gehe es nicht um die Zuführung von Wohnraum zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken. Voraussetzung der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts sei - wie hier geschehen - ein Beschluss der Eigentümer, wobei hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei. Die Modifizierung des Beschlusses durch das LG, dass der Eigentümer von der Belieferung von Wasser und Energie erst ausgeschlossen werden dürfe, wenn anerkannte oder rechtskräftig festgestellte Wohngeldrückstände in einer Höhe von mehr als DM 10.000,- bestünden, sei vertretbar.

Eine etwaige Vermietung oder Überlassung der Schuldnerwohnung an einen Wohnberechtigten stehe der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht entgegen, da einem Mieter oder einem sonstigen Dritten, der seine Rechte vom Eigentümer ableite, nicht mehr Rechte als diesem selbst zustünden (ebenso Deckert, WE 91, 206ff.).

Soweit der Ausschluss eines Eigentümers von der Wasser- und Heizenergiezufuhr nur durch den Einbau eines Absperrventils möglich sei, stelle dies eine vorübergehende Maßnahme dar, die keine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG darstelle.

3.  Der Eigentümerbeschluss und die Entscheidung des LG könnten allerdings insoweit keinen Bestand haben, als festgestellt worden sei, dass das Zurückbehaltungsrecht gegen alle Rechtsnachfolger eines säumigen Eigentümers ausgeübt werden könne. Ein Sondernachfolger hafte hi...

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