Leitsatz (amtlich)
›Trägt der Dieb während der Tatausführung ein zusammengeklapptes Taschenmesser in seiner Hosentasche, begeht er einen Diebstahl, bei dem er ein gefährliches Werkzeug bei sich führt.‹
Gründe
I.
Das Amtsgericht Nürnberg verurteilte den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen (Tatzeiten: 10. und 28.7.1998) zu einer aus Einzelstrafen von zwei und sechs Monaten gebildeten siebenmonatigen Gesamtfreiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Zur Tat vom 28.7.1998 traf das Amtsgericht folgende Feststellungen:
"Am 28.7.1998 gegen 15.00 Uhr entwendete der angetrunkene Angeklagte (um 16.35 Uhr 2,83 %o Atemalkohol) bei der Firma K in N , K , einen Herrenanzug im Wert von 499 DM, 2 Paar Schuhe im Wert von 178 DM, 2 Lederjacken im Wert von 359 DM und 499 DM sowie 7 Silberringe im Wert von 269,95 DM."
In der Beweiswürdigung gab das Amtsgericht die (unwiderlegte) Einlassung des Angeklagten wieder, es habe sich bei dem zur Tatzeit mitgeführten Taschenmesser um ein kleines zusammengeklapptes Taschenmesser gehandelt, das er in der Hosentasche gehabt habe.
Bei der rechtlichen Würdigung gelangte das Amtsgericht bezüglich des Taschenmessers zu der Auffassung, dass es sich insoweit nicht um einen Gegenstand im Sinn des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB handele, sondern um einen Gebrauchsgegenstand, so dass eine Verurteilung wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB im Fall vom 28.7.1998 nicht erfolgen könne.
Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung des sachlichen Rechts.
II.
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist als Sprungrevision zulässig (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO).
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat im Fall vom 10.7.1998 im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO keinen Rechtsfehler ergeben. Aus der Urteilsformel war lediglich der Zusatz "geringwertiger Sachen" zu streichen (Kleinknecht/ Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 260 Rn. 25 sowie § 354 Rn. 12).
3. Die Sachrüge ist hinsichtlich der Tat vom 28.7.1998 begründet, soweit das Amtsgericht den objektiven Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB verneint und damit die Tatbestandsmerkmale des "Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs" verkannt hat (§ 337 StGB).
a) Nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 8) hatte der Angeklagte bei dem Diebstahl am 28.7.1998 "ein kleines zusammengeklapptes normales Taschenmesser ... in der Hosentasche". Somit beging der Angeklagte einen Diebstahl, bei dem er ein gefährliches Werkzeug bei sich führte (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB).
Ein Taschenmesser (vgl. zu diesem Begriff § 37 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz WaffG und RG JW 1932, 952 f.) ist ein gefährliches Werkzeug. Als solches wird in § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB nur ein objektiv gefährliches Tatmittel erfaßt, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen (BGH NStZ-RR 2000, 43; NJW 1999, 2198; 1998, 3130; 1998, 3131; 1998, 2915; 1998, 2916 jeweils zu § 250 StGB). Zur Verletzung geeignet sind deshalb nicht nur ein "Stiefelmesser" (BayObLGSt 1999, 46/47), sondern auch ein "Einhand-Klappmesser" und ein Taschenmesser wie das "Schweizer Offiziersmesser" (BGHSt 43, 266/267 f.). Darauf, ob die nach Beschaffenheit und (hier: zugeklapptem) Zustand des Messers gegebene Gefährlichkeit aufgrund anderer Umstände der Tatsituation für den konkreten Einzelfall ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, kommt es insoweit nicht an (vgl. BGH NJW 1999, 2198).
b) Der Angeklagte hat sein "kleines zusammengeklapptes normales Taschenmesser" während des Diebstahls in der Hosentasche bei sich geführt (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB). Zum Begriff des "Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs" reicht es aus, dass das gefährliche Werkzeug derart in der Nähe des Täters sich befindet, dass er sich dessen jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten (vgl. zu dieser Ausnahme BayObLGSt 1999, 46/48) bedienen kann, es ihm also zu jedem von ihm gewünschten Zeitpunkt einsatzbereit zur Verfügung steht; das ist bei einem am Körper des Täters getragenen gefährlichen Werkzeug der Fall (vgl. BGH NStZ 1999, 618; 1998, 354).
III.
1. Aufgrund der unterlassenen Anwendung des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB (§ 337 StPO) ist das amtsgerichtliche Urteil in dem insoweit betroffenen Teil (Fall vom 28.7.1998) mit den diesbezüglichen Feststellungen zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch einschließlich der Gesamtstrafe samt der Kostenentscheidung aufzuheben (§ 353 StPO).
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an einen anderen Strafrichter des Amtsgerichts Nürnberg zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
3. Der Strafrichter wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung nicht nur den Widerspruch zwischen "kleinem" und "normalem" Taschenmesser aufzuklären, sondern auch zu prüfen haben (...