Leitsatz (amtlich)

Art. 1 Nr. 2 des Bayerischen Schlichtungsgesetzes (BaySchlG), der eine Schlichtungsobliegenheit bei Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, vorsieht, gilt auch in Bezug auf Zahlungsansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 25 S 15393/21)

AG München (Aktenzeichen 223 C 22843/20)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Juni 2023, Az. 25 S 15393/21, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger (zugleich Berufungskläger und Revisionskläger) begehrt von der Beklagten (zugleich Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte) - zuletzt nur noch - Schmerzensgeld wegen behaupteter beleidigender Äußerungen.

Die Parteien bewohnten im August 2020 zwei Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus in der Landeshauptstadt Bayerns. Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche wegen Ehrverletzung geltend. Mit der Behauptung, die Beklagte habe ihn im Rahmen einer Auseinandersetzung am 2. August 2020 gegen 16.00 Uhr beleidigt, begehrte er ihre Verurteilung zu Unterlassung, Zahlung einer "Vertragsstrafe" im Fall der Zuwiderhandlung sowie eines Schmerzensgelds in Höhe von mindestens 1.000,00 EUR. Das Amtsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 21. Oktober 2021 als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger nach dem Gegenstand der Klage gemäß § 15a EGZPO i. V. m. Art. 1 Nr. 2 des Bayerischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen (Bayerisches Schlichtungsgesetz - BaySchlG) vor Klageerhebung den Versuch hätte unternehmen müssen, die Streitigkeit vor einer Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen.

Mit dem angegriffenen Endurteil vom 16. Juni 2023, Az. 25 S 15393/21, hat das Landgericht München I die Berufung zurückgewiesen.

Mit der beschränkt auf den Schmerzensgeldanspruch zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Begehren insoweit weiter. Er ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer revisiblen Rechtsverletzung beruhe. In Bezug auf die Leistungsklage auf Zahlung eines Schmerzensgelds habe ein Schlichtungserfordernis vor Klageerhebung nicht bestanden. Aus der Auslegung der Norm ergebe sich, dass der streitgegenständliche Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre nicht vom Anwendungsbereich des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG umfasst sei. Insbesondere habe der Bundesgerichtshof für vergleichbare Vorschriften anderer Bundesländer erkannt, dass Zahlungsansprüche von den in Umsetzung von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO geschaffenen landesrechtlichen Vorschriften nicht erfasst seien. Eine differenzierende oder gar gegenteilige Bewertung sei für das vom bayerischen Gesetzgeber vorgesehene Schlichtungserfordernis in Art. 1 Nr. 2 BaySchlG nicht angezeigt. Zudem habe das Berufungsgericht bei der Auslegung von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG die besondere Bedeutung und dogmatische Herleitung des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs wegen Verletzung der persönlichen Ehre und damit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus einem verfassungsrechtlich verankerten Schutzauftrag und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) des Klägers verkannt.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hält - wie das Amtsgericht - die Klage für unzulässig, weil der Kläger das nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i. V. m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt habe.

Der Kläger verfolge in zweiter Instanz die erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (nebst Zahlung einer "Vertragsstrafe" bei Zuwiderhandlung) sowie auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von mindestens 1.000,00 EUR weiter. In Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens habe er vorgetragen: Die Beklagte habe ihn im Rahmen einer Auseinandersetzung am 2. August 2020 gegen 16.00 Uhr mit den Worten "Was willst du von mir? Willst du mich schlagen? Willst du mich vergewaltigen? Du fickst nur Kinder! Ich schlage deinen Hund tot! Arschloch, Schwein, Kinderficker" beschimpft. Eine Unterlassungserklärung habe die Beklagte nicht abgegeben. Die geltend gemachten Ansprüche einschließlich des Anspruchs auf Schmerzensgeld unterfielen dem sachlichen Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO. Im Rahmen seiner Klageerweiterung vom 20. Juli 2021, mit der der Kläger den Schmerzensgeldanspruch in das Verfahren eingeführt habe, habe er vorgetragen, dass er infolge der behaupteten Äußerungen der Beklagten Beeinträchtigungen sowohl im Bereich seiner Gesundheit als auch in seiner privaten Lebensführung erlitten habe und deshalb ein Schmerzensgeld in der beantragten Höhe gerechtfertigt sei. Es handle sich insoweit ebenfalls um einen Anspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre.

Von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO würden - isoliert von der jeweiligen landesrechtlichen...

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