Leitsatz (amtlich)
1. Das jedermann zustehende Grundrecht auf Genuss der Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur ist nur gewährleistet, soweit es der Erholung dient; es erfasst nicht die gewerbliche Nutzung zur Vermittlung von Naturgenuss.
2. Der Eigentümer ungewidmeter Waldwege ist nicht verpflichtet, gewerblich angebotene, begleitete Geländeausritte einschränkungslos und unentgeltlich zu dulden.
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 25.03.2003; Aktenzeichen 30 U 809/01) |
LG Augsburg (Aktenzeichen 10 O 71/01) |
Tenor
I. Auf die Revision der Klägerin wird das Endurteil des OLG München vom 25.3.2003 aufgehoben.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Augsburg vom 31.8.2001 wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 9.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Klägerin, eine Stadt, ist Eigentümerin des außerhalb ihres Gemeindegebietes gelegenen Waldgebietes "Schneidwald" (Distrikt VI), das zu einem als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Naturpark gehört und in den Gemarkungen verschiedener Gemeinden gelegen ist. Das Waldgebiet ist zugleich (verpachtetes) Eigenjagdrevier der Klägerin. Es wird durch nicht gewidmete Wege in einer Länge von 8.930 m durchzogen; dabei handelt es sich um sandgebundene Schotterwege, naturbelassene Wege und Rückegassen. Die Erträge aus der Waldbewirtschaftung führt die Klägerin überwiegend an Stiftungen ab.
Die Beklagten betreiben gemeinsam seit 1994 am östlichen Rand dieses Waldgebietes einen Reiterhof, den sie zum 1.1.1995 als Gewerbe für Beherbergung und Dressurausbildung anmeldeten. Sie bieten Reiterferien, Reitschule, Wanderreiten, Urlaub auf dem Bauernhof, Reitlehrgänge unter Einbeziehung des Geländereitens und Mehrtagesritte an. Auf ihrem Hof halten die Beklagten insgesamt ca. 150 Pferde. Von ihrem Reiterhof aus finden mehrfach wöchentlich Gruppenausritte mit fünf bis jedenfalls acht Teilnehmern in das Waldgebiet der Klägerin statt, die nach der Behauptung der Beklagten durchschnittlich mehr als eine Stunde andauern und zu 75 % durch jeweils einen der Beklagten, im Übrigen durch eine von ihnen beschäftigte Vertrauensperson begleitet werden. Nach der Preisliste 2000 der Beklagten hat ein Zweitagesritt mit Schulpferd 235 DM und mit eigenem Pferd 155 DM, ein Tagesritt mit Schulpferd 110 DM, mit eigenem Pferd 70 DM gekostet.
Die Klägerin behauptet, die im Rahmen des gewerblichen Reiterhofbetriebes von den Beklagten durchgeführten Gruppenausritte beschädigten unzumutbar ihre Privatwege und verursachten einen erhöhten Instandsetzungsaufwand; außerdem sei dadurch die Jagdausübung beeinträchtigt.
Nachdem die Klägerin erfolglos versucht hatte, mit den Beklagten eine einvernehmliche Regelung über die Nutzung ihrer Privatwege zu erzielen, die geführten Gruppenausritte nur auf bestimmten Strecken und nur zu bestimmten Zeiten sowie gegen ein Nutzungsentgelt durchzuführen, untersagte sie den Beklagten mit Schreiben vom 22.12.1999 die Nutzung ihrer Privatwege im "Schneidwald" zur Durchführung von geführten Gruppenausritten. Dessen ungeachtet fanden dort am 7.3.2000, 5.4.2000 und 3.8.2000 wieder von ihnen geführte Gruppenausritte statt. Die Klägerin beantragte daraufhin am 27.9.2000 beim AG den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Antrag, den Beklagten zu untersagen, die ungewidmeten Wege der Klägerin im "Schneidwald" für geführte Gruppenausritte zu benutzen. Die Beklagten rügten die sachliche Zuständigkeit des AG mit der Begründung, die finanziellen Einbußen bei einer Untersagung seien mit etwa 50.000 DM zu beziffern; die Entscheidung sei für sie von existenzieller Bedeutung, da bei Untersagung eine Vermietung der Pferde für Ausritte nicht mehr erfolgen könnte. Die Benutzung der Waldwege werde in der nächsten Zukunft weiterhin, aber nicht über das übliche Maß hinaus, erfolgen. Mit Beschluss vom 25.10.2000 wies das LG, an welches das AG die Sache verwiesen hatte, den Antrag der Klägerin mangels Vorliegens eines Verfügungsgrundes zurück (Az. 1 O 4440/00).
II. Mit Klageschrift vom 4.1.2001 erhob die Klägerin Klage zum LG und beantragte, die Beklagten zu verurteilen, eine Nutzung der ungewidmeten Wege der Klägerin im Schneidwald für geführte Gruppenausritte zu unterlassen.
Die Beklagten beantragten Klageabweisung.
Sie vertreten die Auffassung, die Klägerin müsse die Gruppenausritte aufgrund des in Art. 141 Abs. 3 Bayerische Verfassung (BV) niedergelegten Betretungsrechts dulden, das gem. Art. 23 Abs. 1, Art. 24 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) auch für Reiter auf Privatwegen gelte. Die Waldwege der Klägerin seien zum Reiten geeignet und würden durch die Gruppenausritte nicht wesentlich beschädigt; jedenfalls seien etwaige Beschädigungen nur zum geringen Teil auf die von ihnen geführten Gruppenausritte zurückzuführen, da die Wege der Klägerin auch von ungeführten Reitergruppen und Einzelreitern genutzt würden. Auch bewirkten die von ihnen geführten Gruppena...