OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 25.6.2014, Kurzinfo Grundbesitzbewertung Nr. 4/2011
1. Allgemeines
Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann durch ein Gutachten oder durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vereinbarten Kaufpreis geführt werden.
Der Nachweis durch o.g. Kaufpreis ist möglich, wenn der Kaufpreis ein Jahr vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommen ist. Kommt der Kaufpreis außerhalb dieser Frist zustande, kann der Kaufpreis noch als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen, wenn der Steuerpflichtige schlüssig nachweist, dass die maßgebenden Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind (vgl. R B 198 Abs. 4 ErbStR 2011; BFH-Urteil vom 2.7.2004, BStBl 2004 II S. 703). Vgl. dazu jedoch auch Punkt 3.a).
Beim Nachweis durch Gutachten ist zu prüfen, ob dieses den Anforderungen an ein Verkehrswertgutachten entspricht (vgl. R B 198 Abs. 3 S. 4 ErbStR 2011). Danach kann der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erbringen (vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.2.2014; BStBl 2014 I S. 808).
2. Gutachten und Kaufpreis liegen bei der Erst- oder Einspruchsbearbeitung zeitgleich vor
Im Zusammenhang mit der Frage, welchem Wert bei zeitgleichem Vorliegen eines Kaufpreises und eines Gutachtenwerts der Vorzug im Rahmen des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts nach § 138 Abs. 4 und § 198 BewG zu geben ist, wird gebeten, folgende Rechtsauffassung zu vertreten:
Weist der Steuerpflichtige bei Abgabe der Feststellungserklärung oder innerhalb der Rechtsbehelfsfrist einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein Sachverständigengutachten nach, so ist das Finanzamt nicht gehindert, die Erkenntnisse aus einem innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag erfolgten Grundstücksverkauf, bei dem ein höherer Preis als laut dem Gutachten erzielt wurde, zu berücksichtigen und den Grundbesitzwert in Höhe des erzielten Kaufpreises festzustellen. Ist der Kaufpreis außerhalb des Jahres nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommen, gilt Vorstehendes entsprechend, soweit sich die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zum Stichtag nicht verändert haben (siehe Punkt 1.).
Diese Entscheidung basiert auf dem Gedanken, dass beim Vorliegen sowohl eines vom Steuerpflichtigen beigebrachten Sachverständigengutachtens als auch eines zeitnahen Grundstückskaufvertrags beide Beweismittel für eine Überzeugungsbildung heranzuziehen sind. Bei der Wertung sind auch weitere Erkenntnisse, die durch eigene Ermittlungstätigkeit des Bearbeiters gewonnen werden, bei der Rechtsfindung zu berücksichtigen.
Der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vereinbarte bzw. erzielte Kaufpreis für ein Wirtschaftsgut liefert den sichersten Anhaltspunkt für den Wert (gemeiner Wert bzw. Verkehrswert nach § 9 BewG) des Wirtschaftsguts. Der nach den Regeln von Angebot und Nachfrage frei ausgehandelte Marktpreis für ein Wirtschaftsgut bietet die beste Gewähr dafür, den wahren Wert eines Wirtschaftsguts abzubilden. Die Wertermittlung durch einen Gutachter stellt demgegenüber stets eine Schätzung dar.
Hinsichtlich dieser Rechtsauffassung wird auf das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 15.9.2010, 3 K 3232/07 (EFG 2011 S. 1386) verwiesen.
Ist der nach dem Stichtag durch Veräußerung an einen fremden Dritten erzielte Kaufpreis niedriger als der Gutachtenwert, ist der Grundbesitzwert ebenfalls in Höhe des erzielten Kaufpreises festzustellen, soweit sich die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zum Stichtag nicht verändert haben (siehe Punkt 1.).
Die obigen Ausführungen gelten grds. nur, wenn Gutachten und Kaufpreis gleichzeitig bei Bearbeitung der Feststellungserklärung bzw. des Einspruchs vorliegen. Es ist daher nicht erforderlich, Grundbesitzwertfeststellungen, bei denen es zum Ansatz eines Gutachtenwerts gekommen ist, vor dem Hintergrund eines zukünftigen möglichen Verkaufs in Überwachung zu nehmen. Auch eine Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) ist nicht vorzunehmen.
3. Änderungsmöglichkeiten einer Grundbesitzwertfeststellung nach Bestandskraft
Wird nach formeller Bestandskraft der Grundbesitzwertfeststellung der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts geführt, ist wie folgt zu unterscheiden:
a) Nachweis durch Kaufpreis
Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch Kaufpreis kann – anders als nach früherer Rechtsauffassung – nicht mehr nach formell bestandskräftiger Grundbesitzwertfeststellung erbracht werden, wenn der Kaufpreis erst nach abschließender Entscheidung des für die Feststellung des Grundbesitzwertes zuständigen Amtsträgers zustande gekommen ist. Insofern kommt nach Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht mehr in Betracht (an dem früheren Beschluss wird nicht meh...