Leitsatz

Es ist nicht anzunehmen, dass ein Richter und ehemaliger Rechtsanwalt nur wegen der aus einem früheren Mandatsverhältnis herrührenden Bekanntschaft mit einer Partei in einem neuen Prozess streitige Rechtsfragen nicht offen und unbefangen beurteilen wird.

 

Sachverhalt

Ein Richter des erkennenden Senats war vor seiner Ernennung als Rechtsanwalt tätig. Zu den Mandanten seiner Kanzlei zählte auch die Klägerin, wobei das Anwaltsbüro bei der jetzt zur Entscheidung anstehenden Sache nicht aktiv wurde. Nach Auffassung des BGH besteht deswegen aber keine Besorgnis der Befangenheit.

 

Entscheidung

Die Besorgnis der Befangenheit setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen[1]. Sie ist gegeben, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unabhängigkeit aufkommen lassen[2]. Es muss sich um objektive Gründe handeln, die den Schluss erlauben, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Subjektive Vorstellungen der Partei scheiden bei der Beurteilung aus. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln[3].

In der vorliegenden Sache war der betroffene Richter zuvor selbst nicht als Anwalt tätig[4]. Er steht auch nicht in nahen geschäftlichen oder persönlichen Beziehungen zu der Klägerin. Geschäftliche Beziehungen haben nur in Gestalt des früheren Mandatsverhältnisses bestanden. Sie haben auch nicht etwa zu nahen persönlichen Beziehungen geführt, die gegebenenfalls das Ende der geschäftlichen Beziehung überdauert haben könnten. Von dem früheren Mandatsverhältnis ist allein eine bloße Bekanntschaft mit leitenden Angestellten der Klägerin verblieben. Diese können aber keine Besorgnis der Befangenheit begründen[5].

 

Praxishinweis

Anders beurteilt die Rechtsprechung die Befangenheit, wenn der Richter mit einem der Beteiligten eine nahe persönliche Beziehung pflegt und z.B. mit einer (auch angestellten) Führungskraft verheiratet ist[6].

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 13.6.2005, X ZR 195/03

[2] Vgl. §1036 ZPO
[4] In diesem Fall wäre er bereits von Gesetzes wegen an der Mitwirkung gehindert; vgl. §41 Nr.4 ZPO
[5] Vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., Tübingen 2002, §42 Rz.4
[6] Vgl. insoweit BGH-Urteil vom 15.12.1994, l ZR 121/92, NJW 1995, S.1677

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