Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, welche Bedeutung der nachehelichen Solidarität im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung bei der Entscheidung über die Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen auf den angemessenen Lebensbedarf und der zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs beizumessen ist, wenn ehebedingte Nachteile nicht erlitten worden sind. Ferner ging es um den Stellenwert der Ehedauer im Rahmen der Billigkeitsabwägung.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um nachehelichen Aufstockungsunterhalt. Sie hatten im November 1980 geheiratet und wurden nach 23-jähriger Ehe rechtskräftig geschieden. Aus ihrer Ehe war ein im Jahre 1982 geborener Sohn hervorgegangen. Die Antragstellerin war ausgebildete Gymnastiklehrerin und zunächst als Sportlehrerin in einem Gymnasium tätig, bis sie mit dem Antragsgegner zusammenzog. Nach 6-monatiger Arbeitslosigkeit ließ sie sich zur Motopädin ausbilden und war ab der Eheschließung 12 Stunden wöchentlich in diesem Beruf tätig mit Ausnahme einer Erwerbsunterbrechung von ca. 5 1/2 Jahren seit der Geburt des gemeinsamen Kindes, um dessen Erziehung und Versorgung sie sich ebenso kümmerte wie um den Haushalt. Ab Oktober 1987 arbeitete sie wieder als Motopädin, zunächst bis zur Scheidung mit reduzierter Stundenzahl und seit August 2008 vollschichtig. Im Wege des Versorgungsausgleichs waren ihr Rentenanwartschaften von monatlich 51,74 EUR übertragen worden. Zugewinnausgleich wurde ihr i.H.v. ca. 33.000,00 EUR zugesprochen.
Das OLG hat den nachehelichen Unterhalt herabgesetzt und den Antragsgegner zur Zahlung von 1.272,00 EUR für die Zeit bis zum 31.7.2012 verurteilt. Den weitergehenden Antrag hat es abgewiesen.
Gegen die Befristung des nachehelichen Unterhalts für die Zeit bis Juli 2012 richtete sich die vom OLG zugelassene Revision der Antragstellerin, die unbefristeten Unterhalt in der ihr zugesprochenen Höhe begehrte.
Entscheidung
Die Revision führte im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Das OLG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin weder durch ihren beruflichen Wechsel von ihrer früheren Tätigkeit als Lehrerin zu ihrem neuen Beruf als Motopädin noch durch die vorübergehende Aufgabe der Erwerbstätigkeit und die anschließende nur teilschichtige Erwerbstätigkeit ehebedingte Nachteile erlitten habe. Ehebedingte Nachteile ergäben sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer vermögens- und versorgungsrechtlichen Verflechtung.
Der BGH hat jedoch sowohl die Feststellungen des OLG zu den entscheidungserheblichen Billigkeitsgesichtspunkten als auch die vorgenommene Billigkeitsabwägung beanstandet.
In dem Zusammenhang hat er insbesondere die Ehedauer hervorgehoben, die durch eine wirtschaftliche Verflechtung besonderes Gewicht erlange, weil die Antragstellerin den gemeinsamen Sohn überwiegend alleine versorgt, den Haushalt geführt und wegen der Kindererziehung ca. 5 1/2 Jahre lang keine Berufstätigkeit ausgeübt habe. Während der gesamten Ehezeit habe sie auch nur mit deutlich reduzierter Stundenzahl gearbeitet. Hinzu komme, dass die eigene angemessene Lebensstellung der Antragstellerin nur wenig über dem Mindestbedarf liege. Auch bei Berücksichtigung von Versorgungsausgleich im Zugewinnausgleich habe sie bis zum Rentenbeginn deutlichen Bedarf für den Aufbau einer weiteren, dauerhaften und den Mindestbedarf deckenden Altersversorgung.
Hinweis
Der BGH hat in dieser Entscheidung noch einmal darauf hingewiesen, dass es bei der Bemessung der Ehedauer allein auf die Zeit von der Eheschließung bis zur Zustellung des Ehescheidungsantrages ankomme und auch eine frühere Ehekrise dem Vertrauen in den Bestand der Ehe nicht entgegenstehe.
Allerdings sei bei der Billigkeitsabwägung i.S.d. § 1578b BGB die Dauer der Ehe allein kein entscheidendes Kriterium. Vielmehr sei zu prüfen, ob durch die Ehe eine wirtschaftliche Verflechtung eingetreten sei. In diesem Zusammenhang hat der BGH auch ausgeführt, dass die Altersversorgung der Antragstellerin nur sehr begrenzt sei, obgleich sie vollständig durch den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien ausgeglichen worden sei. Selbst unter Berücksichtigung ihr vorehelichen Anwartschaften und dem ihr aus dem Zugewinnausgleich verbliebenen Restvermögen von ca. 23.000,00 EUR ergebe sich keine ausreichende Grundlage für eine dauerhafte Altersversorgung. Die Antragstellerin sei deshalb darauf angewiesen, bis zum Rentenbeginn noch eine adäquate weitere Altersversorgung aufzubauen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 06.10.2010, XII ZR 202/08