Leitsatz

Der BGH hatte sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinanderzusetzen, wann der Lauf der Berufungsbegründungsfrist bei der Wiedereinsetzung nach PKH-Bewilligung beginnt. Tatsächlich erfolgt in der Praxis die Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag in der Berufungsinstanz in der Regel so spät, dass einzuhaltende Fristen bereits abgelaufen sind und daher eine Wiedereinsetzung nötig ist. Unproblematisch ist dies in den Fällen, in denen die Berufung bereits fristgerecht eingelegt wurde. Eine mittellose Partei muss jedoch zunächst einen PKH-Verfahren durchlaufen, bevor sie einen Anwalt mit der Rechtsmittelbegründung beauftragen kann.

 

Sachverhalt

Das LG hatte mit Urteil vom 14.7.2005 - zugestellt am 22.7.2005 - die Klage der Klägerin abgewiesen. Mit einem beim Berufungsgericht am 22.8.2005 eingegangenen Schreiben hatte die Klägerin beantragt, ihr für die beabsichtigte Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Diesem Antrag hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 16.2.2006 im Wesentlichen stattgegeben und ihr eine Rechtsanwältin beigeordnet. Der Beschluss ist der Klägerin am 17.2.2006 formlos übersandt und der Rechtsanwältin am 22.2.2006 zugestellt worden. Diese hat am 6.3.2006 Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist sowie Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7.4.2006 beantragt. Mit Verfügung vom 23.3.2006 hat der Berichterstatter des Berufungssenats die Klägerin darauf hingewiesen, dass gegen die Gewährung der Fristverlängerung Bedenken bestünden.

Daraufhin hat die Klägerin am 31.3.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist gem. § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO beantragt und die Berufung begründet.

Mit Beschluss vom 6.4.2006 - zugestellt am 12.4.2006 - hat das Berufungsgericht der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Durch Beschluss vom 27.5.2006 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt, weil es sich der Sache nach um einen Antrag auf eine gesetzlich nicht zulässige Verlängerung der Frist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Nachholung der versäumten Prozesshandlung i.S.d. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO handele.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 31.3.2006 gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zurückgewiesen sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 6.3.2006 gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und die Berufung der Klägerin mangels fristgerecht eingereichter Berufungsbegründung als unzulässig verworfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei unzulässig, weil die versäumte Prozesshandlung entgegen §§ 234 Abs. 1 S. 2, 236 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht innerhalb der Antragsfrist von einem Monat nachgeholt worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist sei unbegründet, weil die Versäumung der Frist von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin verschuldet worden sei und die Klägerin sich dieses Verschulden nach § 85 Abs.2 ZPO zurechnen lassen müsse.

Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. Durch Beschluss vom 12.12.2006, zugestellt am 14.12.2006, hat der Senat der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Darauf hat sie am 15.12.2006 wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und diese, nachdem dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde am 8.1.2007 entsprochen worden war, am 15.1.2007 begründet.

 

Entscheidung

Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde für zulässig und begründet.

Die gem. §§ 238 Abs. 2 S. 1, 522 Abs. 1 S. 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin sei zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und zudem zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich sei. Der angefochtene Beschluss verletze die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

Die Rechtsbeschwerde sei auch begründet.

Zu Recht sei das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Frist zur Begründung der Berufung gegen das am 22.7.2005 zugestellte Urteil des LG am 22.9.2005 abgelaufen war, so dass die erst am 31.3.2006 eingereichte Berufungsbegründung an sich verfristet war.

Allerdings habe das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Klägerin habe die versäumte Prozesshandlung - die Einreichung der Berufungs...

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