Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob und in welchem Umfang ein Anspruch auf Krankenunterhalt befristet werden kann, wenn keine verlässliche Prognose über Heilungs- und Wiedereingliederungschancen ins Berufsleben möglich ist.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um den nachehelichen Unterhalt. Erstinstanzlich war der Ehemann zur Zahlung von insgesamt 559,00 EUR ab Rechtskraft der Ehescheidung verurteilt worden. Hiervon entfielen 446,00 EUR auf den Elementarunterhalt und 113,00 EUR auf den Altersvorsorgeunterhalt.
Die Ehefrau betreute die gemeinsame 9-jährige Tochter der Parteien und übte bei ihrer Arbeitgeberin, einer Versicherung, eine Tätigkeit aus, die 60 % einer Vollzeitstelle entsprach.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz wurde bei der Ehefrau eine Krebserkrankung diagnostiziert.
Der Ehemann legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein und vertrat die Auffassung, die Ehefrau könne trotz der Betreuung der gemeinsamen Tochter eine vollschichtige Erwerbstätigkeit ausüben.
Sein Rechtsmittel hatte nur insoweit Erfolg, als er sich dagegen wehrte, nachehelichen Unterhalt von mehr als insgesamt 463,00 EUR zahlen zu müssen.
Entscheidung
Das OLG änderte das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Ehemannes ab und errechnete eine geringfügig niedrigere Unterhaltsverpflichtung als erstinstanzlich ausgeurteilt worden war.
Aufgrund der weiteren Entwicklung der besonderen Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts könne dahinstehen, ob die Ehefrau bereits eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit treffe und sie grundsätzlich überhaupt die Möglichkeit habe, bei ihrer Arbeitgeberin ihre Tätigkeit von zuletzt 60 % noch weiter aufzustocken. Sie sei krankheitsbedingt wegen ihrer erst im Verlaufe dieses Unterhaltsrechtsstreits nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erkannten schwerwiegenden Krebserkrankung vorerst nicht in der Lage, ihre Erwerbstätigkeit auf absehbare Zeit überhaupt weiter auszuüben. Sie sei derzeit auf den Bezug von Krankengeld angewiesen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber der Ehefrau in Kenntnis ihres Gesundheitszustandes ihre Arbeitszeit weiter aufstocke. Eine Prognose über die Genesung der Ehefrau und der damit verbundenen Wiederherstellung ihrer Erwerbsfähigkeit lasse sich angesichts der erst seit kurzem festgestellten Krebserkrankung und der heute schwerlich zu beurteilenden Heilungschancen nicht aufstellen.
Eine Befristung oder Beschränkung des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau komme derzeit nicht in Betracht. Aufgrund ihrer Krankheit könne zurzeit nicht festgestellt werden, ob sie überhaupt noch in der Lage sein werde, wieder vollschichtig arbeiten zu können. Eine halbwegs sichere Prognose insoweit sei nicht möglich.
Im Übrigen lägen auch ehebedingte Nachteile vor. Der Umstand, dass sie bis zum Erkennen ihrer Erkrankung nur zu 60 % erwerbstätig gewesen sei, sei durch die Rollenverteilung während der Ehe der Parteien bestimmt. Hätte die Ehefrau nicht geheiratet und das gemeinsame Kind nicht zu betreuen gehabt, wäre sie aller Voraussicht nach auch während der Ehe vollschichtig erwerbstätig gewesen und würde nunmehr etwa so viel verdienen können wie der Ehemann. Dies sei ihr derzeit alles nicht möglich. Zwar sei die Krankheit nicht ehebedingt, jedoch seien die Nachteile - vermindertes Krankengeld sowie fehlende Möglichkeit der Aufstockung der Teilzeittätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit - ehebedingt. Infolge der Kinderbetreuung, die nach der Lebensplanung der Parteien im Schwerpunkt bei der bei Bestand der Ehe nicht vollschichtig tätigen Ehefrau gelegen habe, habe sie nicht vollschichtig arbeiten können und sehe sich nunmehr an einer Aufstockung der aus der Ehe herrührenden Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit krankheitsbedingt gehindert.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Urteil vom 04.11.2008, 4 UF 60/08