Leitsatz
"Ossi" ist keine ethnische Einordnung. Mit dieser Begründung wurde die Klage einer Frau abgewiesen, die wegen AGG-Diskriminierung klagte, weil sie keine Stelle bei einer schwäbischen Firma bekam und auf den Unterlagen "Ossi" und ein Minus vermerkt waren.
Sachverhalt
Die aus der ehemaligen DDR (Ostberlin) stammende und vor der Wende in die Bundesrepublik übergesiedelte Klägerin hatte sich im Juli 2009 erfolglos bei der beklagten Arbeitgeberin auf ein Stellenangebot beworben. Auf dem zurückgesendeten Lebenslauf hatte der potenzielle Arbeitgeber notiert: "(-) Ossi" und bei einigen Berufsstationen der Frau "DDR" ergänzt. Daraufhin hatte die Bewerberin von der beklagten Arbeitgeberin, einem in Stuttgart ansässigen Unternehmen, die Zahlung einer Entschädigung nach AGG begehrt, weil sie sich wegen ihrer "ethnischen Herkunft" benachteiligt sah. Die Arbeitgeberin, welche nach eigener Darstellung mehrere Mitarbeiter aus Ostdeutschland beschäftigt, hatte vorgebracht, die Stellenabsage sei nicht wegen der Herkunft der Bewerberin erfolgt. Grund für die Ablehnung sei allein die mangelnde Qualifikation der Bewerberin gewesen.
Die Bewerberin hatte mit ihrer Klage vor dem AG Stuttgart keinen Erfolg.
- Die Bezeichnung als "Ossi" könne zwar diskriminierend gemeint sein und/oder so empfunden werden,
- sie erfülle jedoch nicht das Merkmal der ethnischen Herkunft i.S.d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
§ 1 AGG lautet: "Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen". Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot sieht das Gesetz in § 15 Abs. 1 und 2 AGG Schadensersatz- und/oder Entschädigungsansprüche vor. Selbst wenn davon ausgegangen werde, so das Gericht, dass mit dem Begriff "Ethnie" Populationen von Menschen beschrieben werden, die durch ihre Herkunft, ihre Geschichte, ihre Kultur, durch ihre Verbindung zu einem spezifischen Territorium und durch ein geteiltes Gefühl der Solidarität verbunden sind, werde die Bezeichnung "Ossi" nicht dem Begriff der Ethnie als Gesamtgefüge dieser Elemente gerecht.
Die Gemeinsamkeit ethnischer Herkunft könne sich in Tradition, Sprache, Religion, Kleidung oder in gleichartiger Ernährung ausdrücken.
Außer der Zuordnung zum ehemaligen DDR-Territorium fehle es bei den "Ossis" an diesen Merkmalen, zumal die DDR nur wenig mehr als eine Generation, nämlich 40 Jahre lang, eine von der Bundesrepublik unterschiedliche Entwicklung genommen habe. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kann die Bewerberin Berufung beim LAG Baden-Württemberg einlegen.
Link zur Entscheidung
ArbG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2010, 17 Ca 8907/09.