Leitsatz
§ 78 FamFG regelt die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Verfahren, die nicht dem Anwaltszwang unterliegen, grundlegend neu. Eine Beiordnung hat danach nur dann zu erfolgen, wenn wegen der "Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich scheint".
Die Regelung des § 121 Abs. 2 ZPO, wonach die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu erfolgen hat, wenn die andere Partei anwaltlich vertreten ist, wurde nicht übernommen.
Die sich hieraus ergebenden Probleme werden in Literatur und Rechtsprechung kontrovers behandelt.
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten um die Abänderung einer gerichtlich gebilligten Vereinbarung zum Umgangsrecht, die der Ehemann ca. ein halbes Jahr zuvor mit seiner geschiedenen Ehefrau vereinbart hatte. Diese Regelung sah vor, dass Übernachtungen ohne die Lebensgefährtin stattfinden sollten, mit der der Kindesvater zusammenlebte.
Eine einvernehmliche Regelung hatte die Kindesmutter im Vorfeld abgelehnt und schließlich das Umgangsrecht des Kindesvaters unter Hinweis auf ein belastetes Verhältnis der Kinder zu seiner Lebensgefährtin völlig boykottiert.
Der Kindesvater begehrte eine Abänderung der getroffenen Umgangsregelung. Das AG hat ihm Verfahrenskostenhilfe für das Änderungsverfahren bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts unter Berufung auf § 78 FamFG jedoch abgelehnt. Die hiergegen von ihm gerichtete sofortige Beschwerde wurde vom OLG zurückgewiesen. Der Kindesvater machte von der Möglichkeit der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde Gebrauch.
Entscheidung
Auf die Rechtsbeschwerde des Kindesvaters hat der BGH die angefochtene Entscheidung geändert und ihm den von ihm beauftragten Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet.
In der Begründung seiner Entscheidung hat sich der BGH mit den unterschiedlichen Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung auseinandergesetzt und sich der überwiegend vertretenen Meinung angeschlossen, wonach die Voraussetzungen für eine Anwaltsbeiordnung nicht nur nach der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage als objektivem Kriterium zu beurteilen sind, sondern auch subjektive Faktoren zu berücksichtigen seien. Die Gesetzesbegründung nenne zwar solche subjektiven Kriterien für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung nicht ausdrücklich, es schließe sie aber auch nicht aus.
In den von Amts wegen zu führenden Verfahren müssten die Beteiligten als Verfahrenssubjekte ebenfalls in der Lage sein, aktiv an dem Verfahren mitzuwirken. Neben einer objektiv schwierigen Sach- oder Rechtslage hätten subjektive Gesichtspunkte folglich eine eigenständige Bedeutung, insbesondere die unzureichende Fähigkeit, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken.
Die Verfahrenskostenhilfe solle eine weitgehende Gleichstellung Bemittelter und Unbemittelter bewirken. Den Vergleichsmaßstab bilde daher die Frage, ob ein Bemittelter, der die Verfahrenskosten selbst zu tragen hat, in der konkreten Situation vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hätte. Für diese Entscheidung gäbe es kein allgemeines Regel-Ausnahme-Verhältnis, vielmehr sei eine Prüfung anhand der konkreten Verhältnisse erforderlich.
Der Grundsatz der "Waffengleichheit" sei für die Beiordnung allerdings nicht mehr ausreichend. Der Gesetzgeber habe diesen Gesichtspunkt bewusst nicht aus § 121 Abs. 2 Alt. 2 ZPO in die gesetzliche Neuregelung des § 78 Abs. 2 FamFG übernommen. Dieser Gesichtspunkt könne daher lediglich als zusätzliches Abwägungskriterium berücksichtigt werden.
Als entscheidend für die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe sah der BGH hier die subjektiven Umstände beim Vater, der im Rechtsbeschwerdeverfahren eine ärztliche Bescheinigung über die bei ihm bestehende Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorgelegt hatte.
Ob allein das durch Konflikte belastete Verhältnis der Eltern die Beiordnung erfordert hätte, ließ der BGH offen.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH zur Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts bringt für die Praxis wenig Klarheit, da er es ausdrücklich abgelehnt hat, Regeln zu entwickeln, nach denen regelmäßig eine Beiordnung zu erfolgen oder zu unterbleiben hat.
Erforderlich ist eine Einzelfallprüfung.
Daher sollte zu den Fähigkeiten eines Mandanten vorgetragen werden, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Auch ein Hinweis auf das vorprozessuale Verhalten der Gegenseite könnte hilfreich sein. Jedenfalls führt kein Weg daran vorbei, seitens des Antragstellers von Verfahrenskostenhilfe zum Grund der begehrten Anwaltsbeiordnung detailliert vorzutragen und dem Gericht über eine schwierige Sach- und Rechtslage hinaus weitere Kriterien für die Beiordnung eines Anwalts an die Hand zu geben.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 23.06.2010, XII ZB 232/09