Volker Hustedt, Gido Schür
Rz. 100
Der Richter kann die Scheidung nur dann aussprechen, wenn er feststellt, dass die Ehe unheilbar zerrüttet ist, wobei es den Eheleuten obliegt, den Nachweis dieser Zerrüttung zu erbringen. Das Gesetz eröffnet hierzu drei Möglichkeiten:
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Der scheidungswillige Ehegatte (der Antragsteller) weist im Laufe des Gerichtsverfahrens die Zerrüttung der Ehe nach. |
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Das Gesetz vermutet unwiderlegbar die unheilbare Zerrüttung, wenn der scheidungswillige Ehegatte (der Antragsteller) nachweist, dass die Ehegatten seit mehr als einem Jahr getrennt leben oder wenn dieser Ehegatte seinen Scheidungswunsch nach Ablauf einer gesetzlich festgelegten Frist vor dem Richter wiederholt. |
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Die unheilbare Zerrüttung wird ebenfalls unwiderlegbar vermutet, wenn der Scheidungsantrag durch beide Ehegatten gemeinsam eingereicht wird und diese nachweisen, seit mehr als sechs Monaten getrennt zu leben oder beide Ehegatten ihren Scheidungswunsch nach Ablauf einer gesetzlich festgelegten Frist vor dem Richter wiederholen. |
a) Nachweis der unheilbaren Zerrüttung der Ehe
Rz. 101
Ist es – bei einem einseitigen Antrag auf Scheidung – der Wunsch des Antragstellers, unverzüglich geschieden zu werden, also ohne dass eine gewisse Dauer des Getrenntlebens der Eheleute verstrichen ist, so kann dieser versuchen, unter Einsatz aller Rechtsmittel nachzuweisen, dass die Ehe zerrüttet ist, d.h., dass sowohl die Fortsetzung der Ehe als auch die spätere Wiederaufnahme des Zusammenlebens der Ehegatten nach vernünftigem Ermessen unmöglich geworden ist. Wenn dieser Nachweis erbracht ist, kann der Richter die Ehescheidung unverzüglich verkünden.
Rz. 102
Der Antragsteller kann also nachweisen, dass das Verhalten des anderen unweigerlich die unheilbare Zerrüttung verursacht hat, und hierdurch einen schnellen Ausspruch der Scheidung erwirken. Zu diesem Zweck können eine oder mehrere Verletzungen der ehelichen Pflichten geltend gemacht werden. In diesem Rahmen kann also die Schuldfrage wiederum Einkehr halten. Hierzu hat die Rechtsprechung in den ersten Jahren der Anwendung dieser Reformgesetze eine Kasuistik entwickelt, die der der Rechtsprechung im Rahmen der früheren Schuldscheidung in Bezug auf Ausschreitungen, Misshandlungen und groben Beleidigungen in der Ehe sehr nahekommt und oft sogar noch einen Schritt weitergeht. So wurde die Scheidung bspw. in folgenden Fällen ausgesprochen:
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Verurteilung des Beklagten durch ein Strafgericht für Gewalt gegen seine Ehefrau; |
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die Antragstellerin gibt an, dass das Kind, welches vor Kurzem geboren wurde, nicht durch den Ehemann gezeugt wurde und dass eine Vaterschaftsanfechtungsklage anhängig ist; |
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der Nachweis des Ehebruchs als Beweis für die unheilbare Zerrüttung der Ehe; |
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die Ehegatten geben an, dass das Zusammenleben nicht mehr vernünftigerweise möglich war, da beide bekennen, dass das Paar bereits seit mehreren Jahren entzweit war, dass sie sich kaum noch trafen, dass der Ehegatte bei einer anderen Frau leben würde und dass die Ehegattin ihrerseits auch nur wenig Hoffnung auf Versöhnung habe. Obwohl die Ehegattin den Scheidungsantrag formal ablehnte, hat das Gericht Erster Instanz in Nivelles in diesem Fall die Scheidung ausgesprochen; |
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der Nachweis durch das Vorlegen einer Haushaltszusammensetzungsbescheinigung, dass der Beklagte bereits seit fünf Monaten in "wilder Ehe" lebt. |
Rz. 103
Es scheint also, dass die Rechtsprechung den Nachweis der unheilbaren Zerrüttung eher schnell als erbracht sieht. Als weiterer Ausdruck dieser Kulanz der Rechtsprechung kann auch gewertet werden, dass das Geständnis ebenfalls als Beweismittel zugelassen ist. Ein Teil der Rechtsprechung erkennt sogar das Geständnis einer Pflichtverletzung durch den Antragsteller selbst an, um die Scheidung auszusprechen.
b) Nachweis des Getrenntlebens
Rz. 104
In Ermangelung eines Nachweises der unheilbaren Zerrüttung der Ehe – wie zuvor beschrieben (siehe Rdn 101 ff.) – oder wenn der Antragsteller sich sofort für diesen Weg entscheidet, kann die unheilbare Zerrüttung der Ehe unwiderruflich nachgewiesen werden, wenn die Ehepartner bereits seit einer bestimmten Zeit getrennt leben. Der Nachweis des Getrenntlebens kann durch den Antragsteller mit allen rechtlichen Mitteln, diesmal jedoch mit Ausnahme des Geständnisses und des Eides, erbracht werden. So gilt dieser Nachweis aufgrund von Art. 1255 § 4 des Gerichtsgesetzbuches (GGB) insbesondere als erbracht "durch die Beibringung von Wohnsitzbescheinigungen, die Eintragungen an verschiedenen Adressen ...