Christoph Weling, Gido Schür
a) Erb- oder Universalvermächtnis
Rz. 53
Das belgische Recht kennt das Erb- oder Universalvermächtnis (legs universel), mit dem der Erblasser – vergleichbar der Erbeinsetzung nach deutschem Recht – über sein gesamtes Vermögen zugunsten einer oder mehrerer Personen gemeinschaftlich verfügt, Art. 4.193–4.194 ZGB. Im Erbfall geht das gesamte Vermögen des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge automatisch auf den oder die Bedachten über, einschließlich vorhandener Verbindlichkeiten, Art. 4.199 ZGB.
Es bedarf jedoch in zwei Fällen noch einer Aushändigung des Nachlasses bzw. Besitzeinweisung ("envoi en possession"), damit dieser Rechtsübergang auch nach außen geltend gemacht werden kann:
Rz. 54
Erstens: Sind Pflichtteilerben vorhanden, muss der Universalvermächtnisnehmer gem. Art. 4.194 ZGB diesen gegenüber die Herausgabe bzw. Freigabe des Nachlasses verlangen, die ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen kann. Mit Geltendmachung dieses Herausgabe- bzw. Freigabeverlangens steht dem Universalvermächtnisnehmer auch die Nutznießung am Nachlass zu, und zwar rückwirkend auf den Todestag des Erblassers, wenn der Vermächtnisnehmer die Aushändigung des Vermächtnisses binnen Jahresfrist verlangt hat, anderenfalls ab dem Tage der Aushändigung bzw. Klageerhebung, Art. 4.194 ZGB.
Rz. 55
Zweitens: Sind keine Pflichtteilerben vorhanden, hat eine gerichtliche Besitzeinweisung (vgl. Rdn 142) immer dann zu erfolgen, wenn der Universalvermächtnisnehmer in einem eigenhändigen oder internationalen Testament (vgl. Rdn 49) bedacht worden ist, Art. 4.194 ZGB. Bei einem notariellen Testament hingegen, ist diese Formalität nicht erforderlich.
b) Bruchteilvermächtnis
Rz. 56
Weiter kann der Erblasser durch ein Bruchteilvermächtnis i.S.d. Art. 4.192, 4.195–4.196 ff. ZGB (legs à titre universel) dem Begünstigten eine bestimmte Quote des Nachlasses vermachen, die dann im Erbfall unmittelbar auf ihn übergeht. Er muss jedoch sein Recht gegenüber Pflichtteilerben, sind solche nicht vorhanden, gegenüber Universalvermächtnisnehmern und ansonsten gegenüber den gesetzlichen Erben geltend machen und die Herausgabe bzw. Freigabe des vermachten Anteils verlangen, Art. 4.196 ZGB. Der Bruchteilvermächtnisnehmer haftet anteilsmäßig entsprechend seiner Quote für Nachlassverbindlichkeiten, Art. 4.199, 4.206 ZGB.
c) Sondervermächtnis
Rz. 57
Schließlich kennt das belgische Recht das Sondervermächtnis (legs particulier), das sich vergleichbar dem Vermächtnis nach deutschem Recht auf einzelne Nachlassgegenstände bezieht. Für Nachlassverbindlichkeiten haftet der Einzelvermächtnisnehmer nicht, er muss jedoch – soweit ihm vermachter Grundbesitz mit einer Hypothek belastet ist – die hieraus folgenden Rechte des Gläubigers gegen sich gelten lassen, Art. 4.199, 4206 ZGB.
d) Nießbrauchsrecht
Rz. 58
Eine häufig anzutreffende Form des Vermächtnisses beinhaltet ein Nießbrauchsrecht entweder am gesamten Nachlass (Universalnießbrauch), an einem Anteil (Teiluniversal- bzw. Quotennießbrauch) oder an einem einzelnen Gegenstand des Nachlasses.
Rz. 59
Ganz allgemein gilt für Vermächtnisse – gleich welcher Art – dass Ersatzvermächtnisnehmer bestimmt werden können, Art. 4.133, § 2 Abs. 1 ZGB. Dies ist nicht als Nacherbeneinsetzung angesehen und folglich gültig. Wurde ein Vermächtnis zugunsten mehrerer Vermächtnisnehmer zusammen ausgesetzt und fällt eine der bedachten Personen etwa durch Vorversterben ohne Bestimmung von Ersatzvermächtnisnehmern weg, so wächst sein Anteil den verbleibenden Vermächtnisnehmern an, Art. 4.210, Abs. 1 + 2 ZGB. Das Vermächtnis wird als Vermächtnis an mehrere Personen zusammen angesehen, wenn es durch ein und dieselbe Verfügung gemacht worden ist und der Testator nicht einem jeden der Mitvermächtnisnehmer seinen Anteil an der vermachten Sache zugewiesen hat.