Rz. 21

Das belgische Recht ließ bis zur Einführung des IPRG eine unmittelbare Wahl des anwendbaren Erbrechts nicht zu.[43] Ein vom Erblasser unter Verkennung dieses Grundsatzes gewähltes Recht war lediglich bei der – auch ergänzenden – Auslegung seiner Verfügung von Todes wegen zu berücksichtigen.[44] Art. 79 IPRG gestattete fortan die Wahl des Erbrechts unter der Voraussetzung, dass

sie in Form einer letztwilligen Verfügung erfolgt, Art. 79 Abs. 2 IPRG;
den gesamten Nachlass erfasst, Art. 79 Abs. 1 S. 1 IPRG; und
der Erblasser das Recht des Staats wählt, dem er zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes angehört[45] oder in dem er zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat.
 

Rz. 22

Eine vor Inkrafttreten des IPRG vorgenommene Rechtswahl, die die genannten Voraussetzungen erfüllt, war bei Erbfällen, die nach Inkrafttreten des IPRG am 1.10.2004 eingetreten sind, zu beachten, vgl. Art. 127 IPRG.[46]

Die Rechtswahl entzog den noterb- bzw. pflichtteilsberechtigten Erben gem. Art. 79 Abs. 1 S. 3 IPRG jedoch nicht die Rechte, die ihnen aus dem abgewählten Recht zustanden. Da diese Rechte weiter bestehen blieben, konnte es durch die Rechtswahl zu einer u.U. nicht gewünschten Kumulierung von Noterb- und Pflichtteilsrechten aus dem abgewählten und dem gewählten Recht kommen.[47]

 

Rz. 23

Die Rechtswahl kann nach belgischem Recht jederzeit durch letztwillige Verfügung einseitig widerrufen werden, was es zu beachten gilt, wenn auf der Grundlage einer solchen Wahl in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag wechselseitig bindende Verfügungen von Todes wegen getroffen werden sollen.[48]

 

Rz. 24

Es besteht grundsätzlich weiter die Möglichkeit der indirekten Einflussnahme auf das Erbstatut. So kann der Erblasser zunächst durch Verlegung seines gewöhnlichen Wohnsitzes (vgl. Rdn 9) das Erbrecht hinsichtlich des beweglichen Vermögens bestimmen. Wünscht der mit Grundbesitz in Belgien, aber außerhalb lebende Erblasser, dass der Immobilienbesitz nicht dem belgischen Erbrecht unterliegen soll, so kann er diesen Grundbesitz in eine Gesellschaft mit eigener Rechtsperson einbringen.[49] Unbewegliches Vermögen wäre in Belgien dann nicht mehr vorhanden, da die Gesellschaftsanteile gem. Art. 529 ZGB bewegliches Vermögen darstellen und damit nach dem Erbrecht am letzten gewöhnlichen Wohnsitz des Erblassers vererbt werden.[50] Nach Einführung des IPRG führen solche Maßnahmen jedoch nur noch unter dem Vorbehalt des Art. 18 IPRG zu dem gewünschten Ergebnis. Hiernach sind Handlungen und Tatsachen als Gesetzesumgehung nicht zu berücksichtigen, die mit dem einzigen Ziel vorgenommen oder herbeigeführt werden, zur Anwendbarkeit eines anderen als vom Gesetz vorgesehenen Rechts zu gelangen.[51]

[43] Rigaux/Fallon, S. 672.
[44] Rigaux/Fallon, S. 672 f.; BayObLG, Beschl. v. 26.10.1995, MittRhNotK 1996, 366, 368 m.w.N.
[45] Mehrstaater können dabei wohl das Recht eines jeden Staates wählen, dem sie angehören, und nicht nur das Recht des Staates, dem sie effektiv i.S.d. Art. 3 § 2 Ziff. 1 und 2 IPRG angehören, vgl. Süß, ZErb 2006, 291.
[46] Vgl. auch Fallon/Erauw, S. 194 sowie Barnich, Revue du Notariat Belge (131), S. 10.
[47] Vgl. Barnich, Revue du Notariat Belge (131), S. 55 sowie Bouckaert, in: Internationales Erbrecht in der EU, S. 429.
[48] Vgl. Süß, ZErb 2006, 291.
[49] Barnich, in: Verwilghen/de Valkeneer, S. 324 m.w.N.
[50] Hierzu und zu den steuerrechtlichen Folgen vgl. Grote, Rn 691 m.w.N.
[51] Vgl. hierzu Fallon/Erauw, S. 94, 160; Barnich, Revue du Notariat Belge (131), S. 24 sowie Francq, RabelsZ 2006, 262.

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