Christoph Weling, Gido Schür
Rz. 232
Gemäß Art. 60bis ErbStGB BH gilt in der Region Brüssel-Hauptstadt ein Steuersatz von 3 % (für Erben in gerader Linie, Ehegatten oder gesetzlich Zusammenwohnende) oder 7 % (für alle anderen Erben) für:
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Vermögen, das der Erblasser oder sein Ehegatte beruflich in ein Familienunternehmen investiert hat. Familienunternehmen sind Industrie-, Handels-, Handwerks- oder landwirtschaftliche Betriebe sowie freiberufliche Tätigkeiten, die vom Erblasser und/oder seinem Ehegatten oder zusammenwohnenden Partner persönlich, ggf. gemeinsam mit anderen Personen, geleitet bzw. ausgeübt worden sind. Die Steuerbefreiung ist auf den Nettowert der beruflich investierten Güter anwendbar, mit Ausnahme der Immobilien, die zu Wohnzwecken genutzt werden oder dazu bestimmt sind. Sämtliche Nachlasspassiva und Begräbniskosten werden von dem Wert der investierten Güter abgezogen, außer den Schulden, die sich nachweislich und speziell auf den Erwerb oder die Erhaltung anderer Güter beziehen. |
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Aktien einer Familiengesellschaft. Der Sitz der tatsächlichen Leitung der Gesellschaft muss sich in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums befinden. Es ist nicht erforderlich, dass die Gesellschaft vom Erblasser und/oder seinem Ehegatten persönlich geleitet worden ist. Die Steuerermäßigung bezieht sich auch auf Holdinggesellschaften unter der Voraussetzung, dass diese mindestens 30 % der Aktien einer Tochtergesellschaft hält, die als Familiengesellschaft im Sinne dieser Gesetzgebung gilt, und beschränkt sich auf den Wert dieser Beteiligung an der Familiengesellschaft mit industrieller, kommerzieller, handwerklicher, landwirtschaftlicher oder freiberuflicher Tätigkeit. |
Die Steuerbefreiung ist auf Gesellschaftsbeteiligungen mit Stimmrechten gleich welcher Art anwendbar, unter der Voraussetzung, dass diese eine Beteiligung am Gesellschaftskapital darstellen (auch Zertifikate von juristischen Personen).
Rz. 233
Gesellschaften ohne tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit sind von diesem ermäßigten Steuersatz gem. Art. 60bis § 2 des ErbStGB BH ausgeschlossen.
Folgende Bedingungen sind für die Anwendbarkeit der oben unter Buchst. b) (siehe Rdn 232) erwähnten Steuerbefreiung zu erfüllen:
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Wenigstens 50 % der Stimmrechte in der Gesellschaft müssen dem Erblasser und/oder seiner Familie am Todestag gehören. Unter Familie des Erblassers versteht man i.S.d. Art. 60bis § 2 Ziffer 4 ErbStGB BH seinen Partner, seine Verwandten in gerader Linie und deren Partner, seine seitliche Verwandtschaft bis zum zweiten Verwandtschaftsgrad und deren Partner sowie die Kinder von Geschwistern des Erblassers. In Abweichung dazu können auch 30 % der Stimmrechte in vollem Eigentum genügen, um von diesem bevorzugten Steuersatz zu profitieren, wenn der Verstorbene und seine Familie zusammen mit einem weiteren Aktionär und dessen Familie mindestens 70 % der Stimmrechte in der Gesellschaft besitzen oder wenn man mit zwei weiteren Aktionären und deren Familien mindestens 90 % der Stimmrechte in der Gesellschaft besitzt. |
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Die Anwendung des Art. 60bis ErbStGB BH muss in der Erklärung ausdrücklich beantragt werden und die Erben müssen bestätigen, dass die Bedingungen dieses Artikels eingehalten wurden. Der Erklärung muss eine vom zuständigen Dienst der Region Brüssel-Hauptstadt ausgestellte Bescheinigung beigefügt werden, in der bestätigt wird, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. |
Rz. 234
Die Steuerermäßigung wird nur beibehalten, wenn:
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die Tätigkeit während einer Dauer von mindestens drei Jahren nach dem Tod des Erblassers fortgeführt wird und |
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bei Anwendung von Art. 60bis § 1 Ziffer 1: insofern die übertragenen Immobilien während mindestens drei Jahren nicht ganz oder teilweise als Wohnung genutzt werden oder dazu bestimmt sind; |
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bei Anwendung von Art. 60bis § 1 Ziffer 2: die Gesellschaft als Familiengesellschaft i.S.d. gesetzlichen Bestimmungen während mindestens drei Jahren fortbesteht, während drei Jahren Jahresrechnungen oder konsolidierte Jahresrechnungen gemäß den geltenden Bestimmungen des Mitgliedstaates, in welchem sie ihren Sitz hat, erstellt und ggf. veröffentlicht; |
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bei Anwendung von Art. 60bis § 1 Ziffer 2: das Kapital oder die Einlagen der Gesellschaft nicht durch Auszahlung herabgesetzt wird und der Sitz der tatsächlichen Leitung der Gesellschaft während drei Jahren nicht in einen Staat außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums verlegt wird. |
Nach drei Jahren wird die Einhaltung dieser Bedingungen durch den dazu durch die Regionalregierung beauftragten Beamten geprüft. Falls die Bedingungen nicht erfüllt sind, werden die Steuern zum Normaltarif nacherhoben.