Volker Hustedt, Gido Schür
I. Materielle Voraussetzungen
1. Verlöbnis
Rz. 1
Das belgische Zivilgesetzbuch (im Folgenden: ZGB) enthält keinerlei Regelungen über das Verlöbnis, d.h. das gegenseitige Eheversprechen. Nach belgischer Rechtslehre und Rechtsprechung hat das Verlöbnis keine rechtliche Bindung. Das Verlöbnis wird nicht als Vertrag anerkannt, so dass dadurch keine zivilrechtlichen Verpflichtungen entstehen und die Verlobten ihr Versprechen einseitig brechen können. Die rechtliche Unwirksamkeit des Verlöbnisses bezieht sich auch auf jede Vereinbarung, durch welche dem Verlöbnis direkt oder indirekt die Bedeutung einer obligatorischen zivilrechtlichen Verpflichtung gegeben werden soll. Auch wenn mit dem Verlöbnis keine zivilrechtlichen Verpflichtungen verbunden sind, so entsteht dennoch eine moralische Verpflichtung, die laut Rechtsprechung und Rechtslehre dazu führt, dass derjenige, der das Verlöbnis einseitig beendet, unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände schadenersatzpflichtig sein kann, wenn der Rücktritt vom Verlöbnis als fehlerhaftes Verhalten anzusehen ist und dadurch ein Schaden entsteht.
2. Obligatorische Zivilehe
a) Zivilrechtliche Ehe
Rz. 2
Nur mit der Zivilehe, die vor einem Standesbeamten zu schließen ist, sind alle rechtlichen Wirkungen der Ehe verbunden. Art. 21 Abs. 2 der belgischen Verfassung bestimmt den Vorrang der Zivilehe: "Die zivile Eheschließung muss stets der Einsegnung der Ehe vorangehen, vorbehaltlich der erforderlichenfalls durch das Gesetz festzulegenden Ausnahmen." Die religiöse Eheschließung hat grundsätzlich keine rechtliche Wirkung.
b) Zivilrechtliche Wirksamkeit religiöser Eheschließung
Rz. 3
Obschon die religiöse Eheschließung grundsätzlich keine rechtliche Wirkung hat (siehe Rdn 2), erkennt die belgische Rechtsprechung dennoch der ausschließlich religiösen Eheschließung begrenzte rechtliche Folgen an. So wird auf ausschließlich kirchliche Trauungen, die in gutem Glauben erfolgten, die Theorie der putativen Heirat angewandt, wonach eine für nichtig erklärte Eheschließung dennoch Wirkungen in Bezug auf die Eheleute hat unter der Voraussetzung, dass sie (oder auch nur ein Ehegatte) guten Glaubens waren.
3. Persönliche Voraussetzungen
a) Geschlecht
Rz. 4
Die Ehe können nicht nur zwei Personen verschiedenen Geschlechts, sondern auch gleichgeschlechtliche Partner eingehen (Art. 143 ZGB).
b) Ehefähigkeit
Rz. 5
Sowohl der Mann als auch die Frau sind grundsätzlich nicht vor Vollendung des 18. Lebensjahres ehemündig. Aufgrund Art. 145 ZGB kann das Familiengericht jedoch aus schwerwiegenden Gründen eine Abweichung von diesem Mindestalter gewähren. Außerdem darf ein Minderjähriger keine Ehe ohne Einwilligung seiner Eltern eingehen.
c) Zustimmung der Ehegatten
Rz. 6
Die Eheschließung ist nur mit Einwilligung beider Ehegatten möglich. Die Einwilligung muss persönlich, aktuell, wirklich und freiwillig erfolgen, d.h., dass die Zustimmung zur Eheschließung tatsächlich vorhanden sein muss und dass diese Zustimmung nicht mit einem Willensmangel (Gewalt oder Irrtum) behaftet sein darf. Personen, die durch das Gericht unter Schutz gestellt wurden und denen es grundsätzlich untersagt ist, eine Ehe einzugehen, können mittels einer besonderen Ermächtigung des Friedensgerichts dennoch ermächtigt werden, eine Ehe einzugehen.