Volker Hustedt, Gido Schür
Rz. 114
Gelingt es dem Antragsteller, die unheilbare Zerrüttung schon bei der einleitenden Gerichtssitzung zu beweisen, so verkündet der Richter die Ehescheidung in dieser Sitzung. Dies ist der Fall
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bei einseitigem Antrag: wenn der Antragsteller die tatsächliche unheilbare Zerrüttung der Ehe gem. Art. 229 § 1 ZGB nachweist, aber auch, wenn er den Nachweis erbringt, dass die Ehegatten seit mehr als einem Jahr tatsächlich getrennt leben; |
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bei gemeinsamem Antrag oder wenn der Beklagte im Laufe des Verfahrens dem Antrag zustimmt: wenn die Ehegatten seit mehr als sechs Monaten getrennt leben. |
Rz. 115
In Ermangelung eines ausreichenden Nachweises in den vorerwähnten Fällen (siehe Rdn 114) beraumt der Richter eine neue Sitzung an:
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bei einseitigem Antrag: findet diese Sitzung unmittelbar nach Ablauf der einjährigen Trennungsfrist, spätestens jedoch ein Jahr nach der ersten Sitzung, statt. In dieser Sitzung verkündet der Richter die Ehescheidung, wenn eine der Parteien ihn darum ersucht; |
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bei gemeinsamen Antrag: findet diese Sitzung unmittelbar nach Ablauf der sechsmonatigen Trennungsfrist, spätestens jedoch drei Monate nach der ersten Sitzung, statt. In dieser Sitzung verkündet der Richter die Ehescheidung, wenn die Parteien ihre Scheidungsabsicht bestätigen. |
Rz. 116
Der Beweis der unheilbaren Zerrüttung der Ehe kann generell mit allen Beweismitteln erbracht werden, mit Ausnahme jedoch des Geständnisses und des für die Entscheidung maßgebenden Eides (serment litisdécisoire) für den Nachweis des Getrenntlebens (siehe Rdn 103 f.). Um den Nachweis der unheilbaren Zerrüttung zu erbringen, können als Beweismittel geltend gemacht werden:
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strafrechtliche Urteile und Akten, z.B. Verurteilungen wegen Vernachlässigung der Familienunterstützung, Kindesentziehung, Körperverletzung, Gerichtsverfahren wegen Diebstahls gegen den Ehepartner usw.; |
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Korrespondenz (auch E-Mail und SMS), persönliche Schriftstücke eines Ehegatten, Fotos, Video- und Tonaufzeichnungen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass diese unrechtmäßig in den Besitz des Antragstellers gelangt sind oder diese unrechtmäßig dem Gericht vorgelegt werden. |
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Der Beweis durch Zeugenaussagen ist grundsätzlich zulässig, wird in der Praxis jedoch nur selten beantragt, da das diesbezügliche Verfahren meist mehrere Monate in Anspruch nimmt. |
Rz. 117
Der Scheidungsrichter beurteilt souverän, ob die geltend gemachten Fakten die Fortsetzung und die Wiederaufnahme des Zusammenlebens der Ehegatten nach vernünftigem Ermessen unmöglich machen.
Rz. 118
Der Richter kann auf Antrag einer der Parteien oder der Staatsanwaltschaft oder wenn er es für zweckdienlich erachtet, anordnen, dass die Parteien persönlich erscheinen, insbesondere um sie auszusöhnen oder um zu prüfen, ob eine Vereinbarung in Bezug auf die Person, den Unterhalt und das Vermögen der Kinder möglich ist. Der Richter hat also den gesetzlichen Auftrag, die Aussöhnung der Parteien zu versuchen. Er erteilt ihnen alle zweckdienlichen Auskünfte in Bezug auf das Verfahren und weist insbesondere auf die Nützlichkeit und das Interesse einer Mediation (Vermittlung) hin. Wenn er feststellt, dass eine Annäherung möglich ist, kann er die Aufschiebung des Verfahrens anordnen, damit die Parteien die Möglichkeit bekommen, alle zweckdienlichen Auskünfte einzuholen und das Vermittlungsverfahren einzuleiten. Die Dauer der Aufschiebung darf jedoch nicht mehr als einen Monat betragen.
Rz. 119
Die Parteien können den Richter zu jeder Zeit ersuchen, ihre Vereinbarungen in Bezug auf die vorläufigen Maßnahmen hinsichtlich der Person, des Unterhalts und der Güter der Ehegatten oder ihrer Kinder zu homologieren. Der Richter kann diese Homologierung verweigern, wenn er feststellt, dass die Vereinbarung dem Interesse der Kinder schadet. In Ermangelung einer Einigung über diese vorläufigen Maßnahmen oder wenn nur eine Einigung in Bezug auf gewisse Maßnahmen zustande kommt, werden die Streitpunkte auf Ersuchen einer der Parteien vor dem Gerichtspräsidenten im Eilverfahren verhandelt (siehe hierzu Rdn 120). Bei Verkündung der Scheidung kann der Richter auch alle Vereinbarungen der Parteien hinsichtlich der Teilung ihrer Güter oder der Scheidungsfolgen bestätigen.