Volker Hustedt, Gido Schür
Rz. 18
Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Eheschließung unterscheidet das belgische Recht zwischen den allgemeinen Ehewirkungen (régime primaire), die teilweise auch vermögensrechtliche Auswirkungen haben, und dem Ehegüterrecht (régime secondaire).
I. Allgemeine vermögensrechtliche Ehewirkungen gem. Art. 212 ff. ZGB
Rz. 19
Neben den personenrechtlichen Rechtsfolgen enthält das Recht der allgemeinen Ehewirkungen in Art. 212 ff. ZGB eine Reihe von vermögensrechtlichen Bestimmungen, die ehevertraglich nicht ausgeschlossen werden können und daher auch unabhängig davon gelten, ob die Eheleute im gesetzlichen oder in einem ehevertraglich gewählten Güterstand (siehe im Einzelnen Rdn 44 f.) leben. Hierzu zählen im Wesentlichen:
1. Verfügungsbeschränkungen
Rz. 20
(1) Über die im Alleineigentum eines Ehegatten stehende und von beiden Eheleuten selbst bewohnte Immobilie und sein darin enthaltenes Inventar darf der Eigentümer ohne Zustimmung seines Ehepartners weder Verfügungen noch Belastungen mit Rechten Dritter vornehmen, Art. 215 § 1 Abs. 1 ZGB. Die Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Eigentümers in diese Vermögensgegenstände ist hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Wenn und soweit hiernach für eine Vermögensverfügung oder -belastung die Zustimmung des Ehepartners erforderlich ist, darf diese nicht ohne wichtigen Grund versagt werden. Anderenfalls besteht die Möglichkeit, die fehlende Zustimmung durch gerichtliche Entscheidung zu ersetzen, Art. 215 § 1 Abs. 3 ZGB. Verfügungen, die ohne die nach Art. 215 ZGB erforderliche Zustimmung von einem Ehegatten vorgenommen werden, sind nicht automatisch unwirksam. Auf Antrag können diese Verfügungen jedoch nach Art. 224 § 1 Ziff. 1 ZGB gerichtlich für unwirksam erklärt werden, wobei nur der übergangene Ehegatte oder seine Erben antragsberechtigt sind, vgl. Art. 224 § 2 ZGB.
Rz. 21
(2) Schenkungen eines Ehegatten sowie die Gewährung von persönlichen Sicherheiten können auf Antrag seines Ehepartners oder dessen Erben gem. Art. 224 § 1 Ziff. 3 und 4 ZGB gerichtlich ebenfalls für unwirksam erklärt werden, sofern durch die genannten Verfügungen die Familieninteressen gefährdet würden.
2. Mietrecht
Rz. 22
Ist die eheliche Wohnung angemietet, so stehen beiden Ehegatten gemeinschaftlich die Rechte aus diesem Mietverhältnis zu, auch wenn der Mietvertrag nur von einem Ehegatten abgeschlossen wurde. Entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam, Art. 215 § 2 ZGB.
3. Erwerbstätigkeit
Rz. 23
Jeder Ehegatte ist berechtigt, ohne Zustimmung des anderen einen Beruf zu ergreifen, eigene Einkünfte hieraus zu beziehen und alleine darüber zu verfügen, Art. 217 ZGB.
4. Verfügung über Bankkonten
Rz. 24
Jeder Ehegatte ist berechtigt, Bankkonten auf seinen Namen zu eröffnen und diese alleine zu verwalten, Art. 218 ZGB.
5. Haftung für Verbindlichkeiten
Rz. 25
Verbindlichkeiten, die ein Ehegatte zum Zwecke der Haushaltsführung oder Kindererziehung eingeht, verpflichten beide Eheleute, sofern sie einen angemessenen Rahmen in Anbetracht der dem Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel nicht überschreiten, Art. 222 ZGB.
II. Ehegüterrecht
1. Allgemeines
Rz. 26
Mit der grundlegenden Reform durch Gesetz vom 14.7.1976 wurde der bis dahin in Belgien nahezu unverändert geltende code napoléon aus dem Jahre 1804 abgelöst und damit die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau auch in den ehegüterrechtlichen Vorschriften hergestellt, und zwar insbesondere durch die Aufhebung der ausschließlichen Verwaltungsbefugnis des Ehemannes über das Vermögen der Ehefrau. Das neue Ehegüterrecht gilt auch für Ehen, die vor Inkrafttreten der Reform geschlossen wurden, es sei denn, die Eheleute haben binnen Jahresfrist in notariell beurkundeter Erklärung bestimmt, dass die alten ehegüterrechtlichen Vorschriften für ihre Ehe weiterhin Geltung behalten sollen. Das Vorhandensein einer solchen Vereinbarung ist vom Standesbeamten auf der Heiratsurkunde zu vermerken. Die Reform des Ehegüterrechtes durch das Gesetz vom 22.7.2018 verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele: zum einen ging es darum die in der Reform des Erbrechtes durch das Gesetz vom 31.7.2017 begonnene Stärkung der Rechte des überlebenden Ehepartners auch im Rahmen des Ehegüterrechts fortzuführen, zum anderen ging es darum, gezielte Änderungen des Ehegüterrechts selbst vorzunehmen: insbesondere zur Anpassung oder Präzisierung bestehender Normen im Licht von Rechtsprechung und Rechtslehre, zur Modernisierung einiger Bestimmungen und zur Einführung einer gesetzlichen Regelung bezüglich der Gütertrennung mit Zugewinngemeinschaft.