Sarah Kocks, Diana Rjabynina
I. Überblick über das Gründungsverfahren
1. Ablauf des Gründungsverfahrens
Rz. 4
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss gem. Art. 2:5 § 1, Abs. 2 und Art. 5:11 GGV mittels notarieller Urkunde ("acte authentique/authentieke akte") errichtet werden, andernfalls ist die Gründung nichtig. Zunächst ist die Gesellschaftssatzung ("statuts/statuten") gemäß der belgischen Sprachgesetzgebung je nach Sitz der Gesellschaft in niederländischer (bei Sitz in Flandern oder der Region Brüssel-Hauptstadt), in französischer (bei Sitz in Wallonien oder der Region Brüssel-Hauptstadt) oder in deutscher (bei Sitz in der deutschsprachigen Gemeinschaft) Sprache abzufassen (Art. 2:33 § 1 Abs. 2 GGV). In der Gesellschaftssatzung sind zwingend die in Art. 2:5 § 1, Art. 2:8 § 2 und Art. 5:12 GGV aufgezählten Angaben aufzunehmen, andernfalls kann die GmbH gem. Art. 5:13 GGV für nichtig erklärt werden. Bei der Beurkundung ist zudem gem. Art. 5:4 GGV zwingend ein Finanzplan vorzulegen. Im Falle einer Bareinlage durch den/die Gründer wird bei der Bank ein spezielles Konto für die zu gründende Gesellschaft eröffnet, auf das die Bareinlagen vor der Unterzeichnung der Gründungsurkunde eingezahlt werden müssen.
Rz. 5
Nach der Beurkundung lässt der Notar die Gründungsurkunde gem. Art. 2:12 GGV bei der zuständigen Registrierungsbehörde registrieren und hinterlegt diese – gemeinsam mit den Auszügen dieser Urkunde, die die wichtigsten Gesellschaftsdaten enthalten ("extrait de l’acte/uittreksel uit de oprichtingsakte") – gem. Art. 2:8 GGV binnen 30 Tagen nach Beurkundung bei der am Sitz der Gesellschaft zuständigen Geschäftsstelle des Unternehmensgerichts ("tribunal de l’entreprise/ondernemingsrechtbank"). Im Moment der Hinterlegung beginnt die Gesellschaft aus buchhalterischer Sicht zu existieren. Auf Veranlassung der Geschäftsstelle des Unternehmensgerichts wird die Satzung binnen weiterer 10 Tage nach Hinterlegung in den Anlagen des Belgischen Staatsblattes ("Moniteur Belge/Belgisch Staatsblad") veröffentlicht.
Rz. 6
Festzuhalten ist, dass die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft gem. Art. 2:6 GGV bereits mit der Hinterlegung der Gründungsurkunde entsteht. Drittwirkung tritt gem. Art. 2:18 GGV allerdings erst mit der Veröffentlichung der Gründung im Belgischen Staatsblatt ein, es sei denn, dass dem Dritten eine frühere Kenntnis der Gründung nachgewiesen werden kann.
Rz. 7
Der mit der Beurkundung der Gründung beauftragte Notar veranlasst gem. Art. 2 § 7 GGV i.V.m. Art. 1:3, 1° Königlicher Erlass vom 29.4.2019 zur Umsetzung des GGV die Eintragung der Gesellschaft ins Rechtspersonenregister ("registre des personnes morales/rechtspersonenregister"). Dieses teilt dem Unternehmen dann eine Unternehmensnummer ("numéro d’entreprise/ondernemingsnummer") zu (siehe Rdn 63 ff.). Mit dieser Unternehmensnummer ist die Gesellschaft schließlich durch die Geschäftsführer über einen sog. Unternehmensschalter ("guichet d’entreprise/ondernemingsloket") in der Zentralen Datenbank für Unternehmen ("banque-carrefour des entreprises/kruispuntbank van ondernemingen") anzumelden, insofern Handelsaktivitäten ausgeführt werden. Bei dieser Gelegenheit wird auch die Eintragung der Tätigkeit des Handelsunternehmens, für mehrwertsteuerpflichtige Unternehmen die Einschreibung bei der Mehrwertsteuerbehörde sowie die Anmeldung der Gesellschaft und der Geschäftsführer bei der Sozialversicherungsanstalt durchgeführt.
Rz. 8
Die Gründung einer GmbH kann auch vom Ausland aus erfolgen. In diesem Fall ist der mit der Durchführung der Gründung beauftragte Vertreter gem. Art. 5:17 GGV mit einer Vollmacht auszustatten, wobei nach belgischem Recht die Vorlage einer privatrechtlichen Vollmacht ausreicht. Die Vorlage einer beurkundeten Vollmacht ist lediglich notwendig, wenn der/die Gründer eine Immobilie oder ein Recht in das Gesellschaftsvermögen einbringen will/wollen. In der Praxis empfiehlt es sich allerdings, dass die Anmeldung beim Unternehmensschalter durch die Geschäftsführer persönlich vorgenommen wird.
2. Finanzplan
Rz. 9
Eine wichtige Funktion insbesondere im Zusammenhang mit der Gründerhaftung erfüllt der sog. Finanzplan ("plan financier/financieel plan"). Wie unter Rdn 47 ff. weiter ausgeführt, kann eine GmbH seit Inkrafttreten des GGV gem. Art. 5:1 GGV ohne Einlage eines Mindestkapitals gegründet werden. Die Gründer sind allerdings verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Gründung über ein ausreichendes Anfangsvermögen ("capitaux propres de depart/aanvangsvermogen") verfügt.
Gem. Art. 5:3 und 5:4 GGV müssen die Gründer die Zusammensetzung und die Angemessenheit des Anfangsvermögens dann anhand eines Finanzplans begründen, in dem auch darzulegen ist, dass das der Gesellschaft zur Verfügung stehende Anfangsvermögen für eine Zeitspanne von mindestens zwei Jahren für deren geschäftliche Aktivitäten ausreichen wird. Der/Die Gründer sollen anhand des Finanzplans dazu angehalten werden, sich mit den Finanzen der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Der Finanzplan kann dabei mit einer Bilanz verglichen werden; er muss den gesetzlichen inhaltli...