Christoph Weling, Gido Schür
I. Allgemeines
Rz. 99
In Belgien stellt die Nachlassabwicklung seit jeher einen Kernbereich notarieller Tätigkeit dar. Die Aufgaben, die belgische Notare im Bereich des Erbrechts wahrnehmen, sind sehr umfangreich: Von der Erteilung von Erburkunden oder -scheinen über das Erstellen der Erbschaftsteuererklärung bis hin zur Vermittlung der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften und Versteigerung von Nachlassgegenständen im Rahmen der gerichtlich angeordneten Erbauseinandersetzung u.a. gewährleisten die belgischen Notare im Bereich der Nachlassabwicklungen ein quasi unbeschränktes Dienstleistungsangebot. Diese Dienstleistungen werden – anders als in der Bundesrepublik Deutschland – nicht von Nachlassgerichten und dort tätigen Rechtspflegern angeboten. Nur in besonderen, gesetzlich geregelten Fällen sind im Rahmen der Abwicklung gerichtliche Verfahren und Entscheidungen erforderlich.
Rz. 100
Die Adressen aller belgischen Notare sind unter der Rubrik "Chercher une étude notariale" auf der Internetseite des Königlichen Verbands des belgischen Notariats zu finden: www.notaire.be. Darüber hinaus findet man auf dieser Seite Informationen und Videos zu den einzelnen Themenbereichen, die für das belgische Notariat eine Rolle spielen, insbesondere auch der Bereich der Schenkungen und Erbschaften.
II. Notwendigkeit eines Nachlassverfahrens in Belgien
Rz. 101
Seit dem 17.8.2015 findet wie oben erwähnt auch in Belgien die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) Anwendung, so dass die belgischen Erbrechtssachnormen i.d.R., d.h. außer einer davon abweichenden gültigen Rechtswahl des Erblassers, dann zum Tragen kommen, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien hatte. Das belgische Recht gilt in diesem Fall ohne Rücksicht auf die Art – bewegliches oder unbewegliches Vermögen – und ohne Rücksicht auf den Belegenheitsort der Nachlassgüter.
Bis zu diesem Datum hatte nach den Regeln des belgischen IPRG i.d.R. der letzte gewöhnliche Wohnsitz des Erblassers einen wesentlichen Einfluss auf das anwendbare Erbrecht und folglich auch auf Art und Umfang der Abwicklung von in Belgien belegenem Nachlass. Hier war zwischen der Abwicklung von in Belgien belegenem Nachlass eines Erblassers mit letztem gewöhnlichem Wohnsitz in Belgien und der Abwicklung von in Belgien belegenem Nachlass eines Erblassers mit letztem gewöhnlichem Wohnsitz im Ausland (d.h. nicht in Belgien) zu unterscheiden.
1. Erblasser mit letztem gewöhnlichem Wohnsitz im Ausland
a) Bewegliches Vermögen des Erblassers
Rz. 102
Die Abwicklung in Bezug auf das zum Nachlass gehörende bewegliche Vermögen, das sich zum Zeitpunkt des Todes in Belgien befindet, richtete sich i.d.R. nach dem Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers.
Umfasste der Nachlass ausschließlich bewegliches Vermögen (in den meisten Fällen handelt es sich um Bankguthaben) in Belgien, waren in Belgien meist keine Verfahrensschritte erforderlich. Die Erbfolge war lediglich mittels eines Erbnachweises (z.B. ein Erbschein) zu belegen.
b) Unbewegliches Vermögen des Erblassers
Rz. 103
Die Abwicklung in Bezug auf das zum Nachlass gehörende, in Belgien belegene unbewegliche Vermögen richtete sich nach belgischem Erbrecht.
Auch nach Inkrafttreten der EuErbVO gilt für inländischen Grundbesitz, der einem im Ausland wohnhaften Erblasser gehört, dass gem. Art. 38 des belgischen Erbschaftsteuergesetzbuchs beim zuständigen Amt Rechtssicherheit der Generalverwaltung der Vermögensdokumentation (i.d.R. richtet sich die Zuständigkeit nach der Lage der betroffenen Immobilien) eine Übertragungserklärung durch die Person einzureichen ist, welche den in Belgien belegenen unbeweglichen Vermögenswert von Todes wegen erhält (siehe Rdn 36 ff.). Diese Erklärung dient nicht nur zu fiskalischen Zwecken, d.h. als Berechnungsgrundlage für die in Belgien fällige Erbschaftsteuer, sondern auch zur Dokumentation der neuen Eigentumsverhältnisse, die sich aus der Übertragung von Todes wegen ergeben. Darüber hinaus gilt für den belgischen Grundbesitz, dass infolge eines Todesfalles, der nach dem 1.7.2022 eingetreten ist, die Übertragung des Grundbesitzes von Todes wegen vor jeder Veräußerung beim zuständigen Amt Rechtssicherheit der Generalverwaltung der Vermögensdokumentation übertragen werden muss (Art. 3.30 § 1 Ziffer 7 des Zivilgesetzbuchs). Erfolgt diese Übertragung nicht, kann die Veräußerung nicht in die belgischen Hypothekenregister (welche dem deutschen Grundbuch gleichzusetzen sind) übertragen werden und ist demnach gutgläubigen Dritten gegenüber nicht wirksam.
2. Erblasser mit letztem gewöhnlichem Wohnsitz in Belgien
Rz. 104
Gemäß Art. 78 IPRG richtete sich die Abwicklung in Bezug auf das bewegliche und das in Belgien belegene unbewegliche Vermögen i.d.R. ausschließlich nach belgischem Erbrecht. Das im Ausland belegene unbewegliche Vermögen wurde nach dem Recht des Belegenheitsort geregelt (die sogenannte Nachlassspaltung, die nun im Rahmen der EuErbVO außer Kraft ist).
3. Notwendige oder nützliche Verfahrensschritte
Rz. 105
Je nach Fall sind folgende Verfahrensschritte geboten:
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Mitteilung des Todes an das ört... |