Christoph Weling, Gido Schür
I. Allgemeines
Rz. 153
Die in Belgien erhobenen Abgaben von Todes wegen sind als Erbanfallsteuer ausgestaltet, die das Verwandtschaftsverhältnis der Nachlassbegünstigten zum Erblasser und den Umfang des Erbanfalls berücksichtigt. Das belgische Erbschaftsteuerrecht macht die Besteuerung des Nachlasses ausschließlich von einer subjektiven Bindung des Erblassers zum Inland (Einwohnerstellung) abhängig. Innerhalb Belgiens sind vergleichbare steuerbegründende Anknüpfungskriterien interregional anwendbar. Unabhängig von der persönlichen Bindung des Erblassers zum Inland, besteht jedoch auch eine objektive Anknüpfung, die zur Besteuerung aller im Inland belegenen unbeweglichen Gegenstände führt, selbst wenn die subjektiven Anknüpfungsmerkmale nicht erfüllt sind.
Rz. 154
Seit dem Sondergesetz vom 16.1.1989 bezüglich der Finanzierung der Gemeinschaften und Regionen haben die drei Regionen des Föderalstaats Belgien (Flandern, Wallonien und Brüssel-Hauptstadt) von der Befugnis Gebrauch gemacht, eigene Vorschriften in das Erbschaftsteuergesetzbuch einzufügen, so dass eine Zersplitterung des belgischen Erbschaftsteuerrechts entstanden ist, die sich hauptsächlich bei den regional unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen und Steuertarifen bemerkbar macht. Im Nachfolgenden werden wir die regionalen Unterschiede bei den Gesetzesverweisen auf das Erbschaftsteuergesetzbuch (ErbStGB) mit dem Zusatz W (Wallonien) und BH (Brüssel-Hauptstadt) kennzeichnen. Die flämische Region hat durch Dekret vom 13.12.2013 die flämische Fassung des Erbschaftsteuergesetzbuches in das allgemeine Flämische Steuergesetzbuch (Vlaamse Codex Fiscaliteit) eingegliedert (hiernach "Codex" genannt).
II. Beschränkte und unbeschränkte Steuerpflicht
1. Abgrenzung
Rz. 155
Das belgische Erbschaftsteuerrecht (Art. 1 ErbStGB/Art. 2.7.0.1. Codex) unterscheidet zwischen
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der Erbschaftsteuer, die auf das gesamte Nettovermögen zu erheben ist, das aus dem Nachlass eines Erblassers erworben wird, der zum Todeszeitpunkt Einwohner des Königreichs war, und |
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der Steuer auf Übertragungen von Todes wegen (droit de mutation par décès/recht van overgang bij overlijden), die auf das in Belgien belegene unbewegliche Vermögen von Nichteinwohnern erhoben wird. |
Die Vorschriften des ErbStGB/Codex gelten grundsätzlich für beide Steuerarten, soweit keine abweichenden Sondervorschriften bestehen.
Rz. 156
Abgrenzungskriterium zwischen Übertragungsteuer und Erbschaftsteuer ist die Einwohnerstellung des Erblassers. Ist der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes Einwohner des Königreichs (habitant du royaume/rijksinwoner), ist der Nachlass unbeschränkt in Belgien steuerpflichtig. Ist der Erblasser hingegen nicht Einwohner Belgiens, ist der Nachlass in Belgien beschränkt steuerpflichtig, in dem Sinne, dass nur auf die im Inland belegenen Immobilien Erbschaftsteuern fällig werden. Die persönliche Beziehung des Erben oder Vermächtnisnehmers zu Belgien (Wohnort und Nationalität) ist – anders als etwa im deutschen Erbschaftsteuerrecht – vollkommen ohne Belang. In Belgien werden keinerlei Steuern fällig, wenn ein Belgier oder ein in Belgien wohnhafter Ausländer von Todes wegen Vermögensbestandteile aus dem Nachlass eines Nichteinwohners des Königreichs, der keine in Belgien belegenen, unbeweglichen Gegenstände hinterlässt, erwirbt.
Rz. 157
Artikel 1 ErbStGB definiert den Begriff "Einwohner": "Als Einwohner des Königreichs gilt derjenige, der dort zum Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz oder den Sitz seines Vermögens hat." Im Sinne dieser Definition der Einwohnerstellung kommt es nicht auf den gesetzlichen Wohnsitz des Erblassers, sondern auf seinen tatsächlichen Wohnsitz (Aufenthaltsort) oder den Sitz seines Vermögens (Ort der Vermögensverwaltung) an. Die Einwohnereigenschaft richtet sich nach objektiven Anhaltspunkten, die im Laufe der Zeit durch Rechtsprechung und Literatur festgelegt wurden (dauerhaftes Unterhalten einer Wohnung im Inland, Aufenthaltsort der Familie, Zentrum der privaten und geschäftlichen Tätigkeiten usw.). Ausschlaggebend ist einzig die Stellung des Erblassers als Einwohner Belgiens zum Zeitpunkt des Todes. Die Beweislast liegt bei der Steuerverwaltung. Vorschriften gegen die Steuervermeidung durch einen Wohnsitzwechsel ins Ausland bestehen in der belgischen Erbschaftsteuergesetzgebung nicht. Sobald der Erblasser nicht mehr Einwohner des Königreichs ist, wird eine Besteuerung des zum Nachlass gehörenden Weltvermögens nicht mehr in Belgien erfolgen. Anders als bei einem internationalen Wohnsitzwechsel, bewirkt eine Verlegung des Wohnsitzes von einer der drei belgischen Regionen in eine andere Region hingegen nicht die sofortige Anwendbarkeit der Erbschaftsteuergesetzgebung der neuen Wohnsitzregion. Nach dem Verlassen einer Wohnsitzregion wird der Verbleib einer steuerbegründenden Verbindung mit dieser Region unter gewissen Voraussetzungen fingiert, um so das Steueraufkommen dieser Region zu sichern.