I. Freie Lebensgemeinschaft

 

Rz. 163

Die freie Lebensgemeinschaft ist in Belgien gesetzlich nicht geregelt. Eine analoge Anwendung des Eherechts auf diese Lebensgemeinschaften ist ausgeschlossen.[209] Die freie Lebensgemeinschaft hat keinerlei rechtliche Folgen hinsichtlich der persönlichen Beziehungen zwischen den Partnern. Ähnliche Pflichten wie bei Ehepartnern entstehen nicht durch die Lebensgemeinschaft (Zusammenwohnen, Treue, Hilfe und Beistand, Beitrag zu den Haushaltskosten usw.). In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung wenden Rechtsprechung und Rechtslehre[210] diverse zivilrechtliche Regelungen insbesondere auf die finanziellen Aspekte der Lebensgemeinschaft an (Umwandlung einer Naturalobligation in eine zivilrechtliche Verpflichtung, zivilrechtliche Haftung, ungerechtfertigte Bereicherung, faktische Gesellschaft zwischen Lebenspartnern).

 

Rz. 164

Zur Reglung der vermögensrechtlichen und finanziellen Aspekte der Partnerschaft empfiehlt sich der Abschluss eines Partnerschaftsvertrages,[211] der entweder privatschriftlich oder vor einem Notar geschlossen wird. Die persönlichen Folgen der Lebensgemeinschaft können in einem solchen Vertrag nicht geregelt werden, da diese Folgen den Regeln des ordre public obliegen. Die Partner können sich bspw. nicht rechtsgültig zum Zusammenwohnen oder zur gegenseitigen Treue verpflichten. Desgleichen können sie nicht von den unabdingbaren Vorschriften im Bereich des Erbrechts, der Vormundschaft oder des Sorgerechts vertraglich abweichen. Im Partnerschaftsvertrag kann allerdings bspw. geregelt werden, wie die Parteien

ihren finanziellen Beitrag zur Deckung der Kosten der Lebensgemeinschaft leisten werden;
die Eigentumsansprüche in Bezug auf ihr Vermögen beweisen können;
zwischen ihnen entstehende Eigentumsgemeinschaften in Bezug auf Mobilien oder Immobilien und ggf. deren Auflösung regeln.

Der Partnerschaftsvertrag ist nur im Innenverhältnis bindend. Dritten gegenüber ist er gemäß dem allgemeinen Vertragsrecht begrenzt wirksam.[212]

[209] Siehe hierzu Brat, La vie commune hors mariage in Précis de droit de la famille, S. 362 ff.; Pintens, in: Gottwald/Henrich/Schwab, Beiträge zum europäischen Familienrecht, Bd. 12, S. 290 f.
[210] Siehe Brat, Précis de droit de la famille, S. 362 ff.; Leleu, Droit des personnes et des familles, Nr. 375–380; Leleu, Droit patrimonial des couples, Nr. 429–455; Printens/Van Der Meersch/Vanwinckelen, Inleiding tot het familiaal vermogensrecht, S. 394 und die dort erwähnte Rechtsprechung.
[211] Verstraete, Beschermingstechnieken (andere dan tontine- en aanwasbedingen) tussen ongehuwd samenwonende, in: Familie op maat, Kluwer, 2005, S. 25 ff; Leleu, Droit patrimonial des couples, Nr. 453–455.
[212] Im Gegensatz zu einem Ehevertrag, durch welchen ein Güterstand festgelegt wird, der Dritten gegenüber uneingeschränkt wirksam ist.

II. Gesetzliches Zusammenwohnen

1. Voraussetzungen für die Begründung

 

Rz. 165

Durch das Gesetz vom 23.11.1998[213] wurde eine neue Form der Lebensgemeinschaft, nämlich eine rechtlich anerkannte, registrierte Lebensgemeinschaft, eingeführt, das sog. gesetzliche Zusammenwohnen. Dieses wird durch die Art. 1475 ff. ZGB geregelt.[214]

 

Rz. 166

Diese Form der Lebensgemeinschaft kann von zwei Personen (verschiedenen oder gleichen Geschlechts), die zusammenleben,[215] begründet werden. Diese Personen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:

Sie dürfen weder verheiratet noch durch gesetzliches Zusammenwohnen mit einem anderen Partner gebunden sein.
Sie müssen entsprechend den Vorschriften der Art. 1123 und 1124 ZGB vertragsfähig sein.
 

Rz. 167

Die Begründung des gesetzlichen Zusammenwohnens erfolgt durch eine schriftliche, von beiden Parteien unterzeichnete Willenserklärung, die dem Standesbeamten der Gemeinde, in welcher sich der gemeinsame Aufenthaltsort befindet (oder befinden wird), zu überreichen ist. Die Erklärung wird anschließend in den Einwohnerregistern der Gemeinde registriert.

 

Rz. 168

Bevor die Erklärung des gesetzlichen Zusammenwohnens abgegeben wird, können die Parteien ergänzend zu den gesetzlichen Vorschriften die Modalitäten ihres Zusammenwohnens in einer notariellen Urkunde[216] regeln unter der Voraussetzung, dass der Vertrag nicht gegen die Vorschriften des Art. 1477 ZGB, die öffentliche Ordnung, die guten Sitten, die Vorschriften über die elterliche Gewalt und die Vormundschaft sowie die gesetzlichen Erbrechte verstößt.[217] Im notariellen Partnerschaftsvertrag können bspw. güterrechtliche Vereinbarungen, die Beteiligung an den Kosten des Zusammenlebens, eine Trennungsentschädigung usw. festgelegt werden.[218] Der notarielle Vertrag ist Dritten gegenüber nicht wirksam. Dieser Vertrag ist genau wie seine späteren Änderungen durch den beurkundenden Notar im zentralen Ehevertragsregister eintragen zu lassen.

[213] In Kraft getreten am 1.1.2000.
[214] Hierzu Pintens, Partnerschaft im belgischen und niederländischen Recht, FamRZ 2000, 69 ff.; Becker, Das Gesetz über die gesetzliche Lebensgemeinschaft in Belgien, MittRhNotK 2000, 155.
[215] Das gesetzliche Zusammenwohnen ist nicht nur für Lebensgemeinschaften, d...

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