Sarah Kocks, Diana Rjabynina
Rz. 134
Mit dem Gesetz vom 11.8.2017 wurde das Insolvenzrecht in Belgien in das Buch XX des belgischen Wirtschaftsgesetzbuches (WGB) eingefügt und inhaltlich umfassend reformiert. Die wichtigste Änderung hierbei war wohl die Verknüpfung des Insolvenzrechts mit dem Unternehmensbegriff des WGB, so dass sich der persönliche Anwendungsbereich des Insolvenzrechts nunmehr auch auf freie Berufe und Geschäftsführer bzw. Vorstände von Unternehmen erweitert.
Die Kriterien, anhand derer festgestellt wird, ob ein Unternehmen als insolvent anzusehen ist, haben sich durch die Gesetzesänderung nicht verändert. So gilt ein Unternehmen auch weiterhin als insolvent, wenn es seine Verbindlichkeiten dauerhaft nicht mehr erfüllen kann und seine Kreditwürdigkeit verloren hat (Art. XX.99 WGB).
Dieser Definition zufolge muss es sich um ein länger andauerndes Stadium handeln, in dem der Schuldner nicht über die erforderlichen monetären Kapazitäten verfügt. Das Gesetz stellt somit auf die Liquidität des Schuldners ab. Das zweite Kriterium – die mangelnde Kreditwürdigkeit – ist oft ein Indiz für die Dauer der Zahlungsunfähigkeit und daher grundsätzlich zusammen mit dieser zu interpretieren. Verfügt ein Unternehmen allerdings über ausreichend Aktiva, die jedoch nicht unmittelbar zur Bezahlung von Verbindlichkeiten verwendet werden können, so ist davon auszugehen, dass eine nur vorübergehende Zahlungsstockung vorliegt. Daher sind die Voraussetzungen für die Insolvenz in diesem Fall zu verneinen.
Gemeinsam mit dem neuen Insolvenzrecht wurde auch das Gesetz vom 31.1.2009 über die Kontinuität von Unternehmen ("loi relative à la continuité des entreprises") in das Buch XX des WGB eingefügt. Dieses Gesetz stellt die Weiterführung und die Rentabilität des Unternehmens in den Vordergrund. Einem Unternehmen, das sich in Zahlungsschwierigkeiten befindet, wird über das gerichtliche Reorganisationsverfahren die Möglichkeit geboten, die Kontinuität seines Vermögens oder seiner Tätigkeit teilweise oder vollständig zu gewährleisten (Art. XX.39 WGB). Das in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Unternehmen verfügt hiernach über drei verschiedene Möglichkeiten, sowohl vor als auch während des Verfahrens der gerichtlichen Reorganisation: eine vorangehende gütliche Einigung, die gerichtliche Reorganisation (kollektive Einigung) sowie die Übertragung des gesamten oder eines Teils des Unternehmens oder dessen Aktivitäten (sei es freiwillig oder zwangsweise).
Rz. 135
Die Insolvenz wird in Belgien durch Urteil des Insolvenzgerichts festgestellt (Art. XX.100 WGB).